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Im Schatten der Gerechtigkeit

Im Schatten der Gerechtigkeit

Titel: Im Schatten der Gerechtigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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wandte er sich an Rathbone. »Vielleicht sollten Sie das dem Gericht erklären.«
    »Ich habe nicht die Absicht, Mr. Purbright vorzuladen, Euer Ehren, es sei denn Miss Cuthbertson macht es nötig.« Es war ein Bluff. Er hatte keine Ahnung, wo er Archibald Purbright finden sollte.
    Hardie wandte sich an Nanette. Sie stand steif und kreidebleich da.
    »Es handelt sich um einen vereinzelten Zwischenfall, der einige Zeit zurückliegt.« Fast wäre sie an ihren Worten erstickt.
    »Der Mann hatte beim Billard betrogen. Ich bedaure das sagen zu müssen, aber es ist wahr.« Sie bedachte Rathbone mit einem haßerfüllten Blick. »Und Mrs. Waldemar würde das bestätigen!« Die Spannung legte sich. Lovat-Smith lächelte.
    »Und Mr. Taunton war zweifelsohne maßlos enttäuscht über diese schreiende Ungerechtigkeit, verständlicherweise«, pflichtete Rathbone ihr bei. »Das wäre uns nicht anders ergangen. Wenn man sein Bestes gegeben hat, dann hat man das Gefühl, den Sieg verdient zu haben, schließlich ist man der bessere Spieler, und ständig um den Sieg betrogen zu werden würde unser aller Geduld auf eine harte Probe stellen.«
    Er zögerte, tat ein, zwei lässige Schritte und wandte sich dann wieder um. »Und in diesem Augenblick schlug Mr. Taunton so hart zu, daß ihn zwei seiner Freunde überwältigen mußten, um ihn davon abzuhalten, Mr. Purbright ernsthafte, womöglich sogar tödliche Verletzungen beizubringen.«
    Schlagartig war die Spannung wieder da. Die Leute fuhren schockiert auf, und über dem Rascheln der Kleider und dem Scharren der Schuhe schnappte man hörbar nach Luft. Sir Herberts Lippen krümmten sich zu einem kaum sichtbaren Lächeln. Selbst Hardie erstarrte.
    Lovat-Smith verbarg seine Überraschung nur mit Mühe. Einen Augenblick lang war sie ihm vom Gesicht abzulesen, und Rathbone sah sie sehr wohl. Ihre Blicke trafen sich, dann kehrte Rathbones zurück zu Nanette.
    »Halten Sie es nicht für möglich, Miss Cuthbertson – ja fürchten Sie nicht im Grunde Ihres Herzens –, daß Mr. Taunton eben diese Enttäuschung, dieses Gefühl, ungerecht behandelt worden zu sein, auch gegenüber Miss Barrymore verspürte, die ihn so hartnäckig abwies, obwohl sie keine anderen Verehrer hatte, und damit, seiner Ansicht nach, auch keinen Grund für ihre Handlungsweise?« Seine Stimme war ruhig, ja besorgt.
    »Wäre es nicht möglich, daß er zugeschlagen hat, falls sie vielleicht so töricht gewesen sein sollte, ihn verhöhnt oder auf die eine oder andere Weise gekränkt zu haben, um ihn endlich zur Einsicht zu bringen? Auf dem Korridor des Krankenhauses gab es zu dieser frühen Stunde keine Freunde, die ihn zurückhalten konnten. Sie war müde nach einer langen Nachtwache und erwartete keine Gewalt…«
    »Nein!« explodierte Nanette wütend und beugte sich, das, Gesicht wieder gerötet, über die Brüstung. »Nein! Niemals! Es ist abscheulich von Ihnen, so etwas zu sagen! Sir Herbert Stanhope hat sie ermordet«, sie warf einen haßerfüllten Blick auf die Anklagebank, und die Geschworenen folgten ihm, »weil sie ihm gedroht hat, ihre Affäre aufzudecken!« sagte sie laut.
    »Das weiß doch jeder! Es war nicht Geoffrey! Sie sagen das nur, weil Sie alles tun würden, um ihn zu verteidigen!« Wieder warf sie einen glühenden Blick auf die Anklagebank, bei dem selbst Sir Herbert unbehaglich zumute schien. »Und weil Sie sonst nichts haben!« beschuldigte sie ihn. »Sie sind verabscheuungswürdig, Sir! Einen guten Mann eines armseligen Ausrutschers wegen zu verleumden!«
    »Ein armseliger Ausrutscher genügt völlig, Madam«, sagte Rathbone seelenruhig, und seine Stimme brachte die plötzliche Bewegung im Saal zum Verstummen. »Ein starker Mann kann eine Frau in wenigen Augenblicken erwürgen.« Er hielt die Hände hoch: feine, schöne Hände mit langen Fingern. Er machte eine rasche, kräftige Bewegung, als würde er jemandem den Hals umdrehen, und hörte eine Frau nach Luft schnappen und das Rascheln von Taft, als sie irgendwo hinter ihm zu Boden fiel.
    Nanette sah selbst aus, als wollte sie jeden Augenblick in Ohnmacht fallen.
    Mit unerbittlicher Miene klopfte der Richter mit dem Hammer.
    Lovat-Smith stand auf und setzte sich wieder.
    Rathbone lächelte. »Ich danke Ihnen, Miss Cuthbertson. Ich habe keine weiteren Fragen.«
    Mit Geoffrey Taunton war das etwas ganz anderes. Rathbone sah an der Haltung, mit der Lovat-Smith in die Saalmitte trat, daß er hin und her gerissen war, ob er Taunton aufrufen lassen sollte

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