Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Schatten der Gerechtigkeit

Im Schatten der Gerechtigkeit

Titel: Im Schatten der Gerechtigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
Vom Netzwerk:
Nur Lovat-Smith hatte einen vorsichtigen Ausdruck im Gesicht.
    »Würden Sie ihn akzeptieren, sollte er Ihnen einen Antrag machen?« fragte Rathbone mild. »Die Frage ist selbstverständlich rein hypothetisch«, fügte er hinzu, bevor Hardie ihn unterbrechen konnte.
    Das Blut brannte in Nanettes Wangen. Der ganze Saal atmete hörbar ein. Einer der Geschworenen aus der hinteren Reihe räusperte sich laut.
    »Ich…«, stammelte Nanette verlegen. Sie konnte es nicht leugnen, sonst würde sie ihn ja praktisch ablehnen, und das war das letzte, was sie wollte. »Ich – Sie…« Sie hatte Mühe, ihre Fassung wiederzuerlangen. »Sie bringen mich in eine unmögliche Lage, Sir!«
    »Ich entschuldige mich«, sagte Rathbone nicht sonderlich aufrichtig. »Aber auch Sir Herbert befindet sich in einer unmöglichen Lage, Madam, und zudem in einer weitaus gefährlicheren als Sie.« Er neigte den Kopf ein klein wenig.
    »Ich muß auf einer Antwort bestehen, denn wenn Sie Mr. Taunton nicht akzeptieren würden, dann würde das bedeuten, daß Ihnen ein Grund bekannt ist, weshalb ihn Prudence Barrymore nicht akzeptiert haben könnte. Was wiederum bedeuten würde, daß ihr Verhalten gar nicht so unvernünftig war und mit Sir Herbert oder irgendwelchen Hoffnungen in bezug auf seine Person nicht das geringste zu tun hatte. Verstehen Sie das?«
    »Ja«, gab sie widerstrebend zu. »Das verstehe ich.«
    Er wartete. Endlich hatte er die Aufmerksamkeit der Leute auf den Publikumsbänken. Er hörte das Rascheln von Taft und Bombassin. Man wußte nicht so recht, was jetzt kommen sollte, aber ein Drama witterte man allemal – und die Leute sahen, wenn jemand Angst hatte.
    Nanette atmete tief ein. »Ja – ich würde«, sagte sie mit erstickter Stimme.
    »In der Tat.« Rathbone nickte. »Das hat man mir auch gesagt.« Er ging ein, zwei Schritte und wandte sich dann wieder um. »Tatsache ist, daß Sie Mr. Taunton selbst sehr zugetan sind, nicht wahr? So sehr, daß es Ihrer Zuneigung zu Miss Barrymore geschadet hat, als er dieser so nachhaltig den Hof machte, obwohl sie ihn wiederholt abgewiesen hatte?«
    Im Saal erhob sich ein zorniges Gemurmel. Einige der Geschworenen rutschten unruhig hin und her.
    Nanette war entsetzt. Sie klammerte sich an das Geländer des Zeugenstands, als müßte sie sich stützen; ihr Gesicht war scharlachrot bis zum Ansatz ihres dunklen Haares.
    »Wenn Sie damit andeuten wollen, daß ich lüge, Sir, haben Sie unrecht«, sagte Nanette schließlich.
    Rathbone war die Höflichkeit in Person. »Ganz und gar nicht, Miss Cuthbertson. Ich möchte damit nur andeuten, daß Ihre Sicht der Dinge unter dem Eindruck extremer Emotionen wie bei den meisten von uns von persönlichen Notwendigkeiten eingefärbt ist. In diesem Fall handelt es sich nicht um eine Lüge, sondern lediglich um einen Irrtum.«
    Sie funkelte ihn an, verwirrt und unglücklich, aber es wollte ihr nichts einfallen, was sie hätte erwidern sollen.
    Aber Rathbone wußte, der dramatische Moment wäre gleich wieder vorbei, dann käme wieder der Verstand zu seinem Recht. Und er hatte noch nicht viel erreicht, um Sir Herbert zu helfen.
    »Ist Ihre Zuneigung zu ihm stark genug, um sich von seiner gewalttätigen Natur nicht abschrecken zu lassen, Miss Cuthbertson?« fuhr er fort.
    Sie wurde schlagartig blaß. »Von seiner gewalttätigen Natur?« wiederholte sie. »Das ist Unsinn, Sir. Mr. Taunton ist der sanftmütigste Mann, den man sich vorstellen kann.«
    Aber das Publikum, das sie so aufmerksam beobachtete, hatte durchaus bemerkt, daß ihre Fassungslosigkeit dem Schrecken gewichen war. Die Leute sahen an ihrer verspannten Haltung unter dem modischen Kleid und den mächtigen Röcken, daß sie sehr genau wußte, wovon Rathbone sprach. Sie war verwirrt, weil sie das zu verbergen versuchte, nicht weil sie ihn nicht verstand.
    »Wenn ich Mr. Archibald Purbright fragen würde, würde er mir zustimmen?« sagte Rathbone ruhig. »Ich bezweifle, daß Mrs. Waldemar Ihrer Ansicht wäre.«
    Lovat-Smith sprang auf, seine Stimme heiser vor gespielter Verwirrung. »Euer Ehren, wer ist Archibald Purbright? Mein verehrter Kollege hier erwähnt eine Person dieses Namens zum erstenmal. Wenn der Mann etwas auszusagen hat, dann hat er das hier zu tun, wo die Krone ihn vernehmen und seine Antworten abwägen kann. Wir können nicht zulassen…«
    »Schon gut, Mr. Lovat-Smith«, unterbrach Hardie ihn. »Ich weiß sehr wohl, daß Mr. Purbright nicht vorgeladen ist.« Mit hochgezogenen Brauen

Weitere Kostenlose Bücher