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Im Schatten der Gerechtigkeit

Im Schatten der Gerechtigkeit

Titel: Im Schatten der Gerechtigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Aufstiegsmöglichkeiten.« Wieder erfüllten ihn Zorn und Abscheu, als er zu Sir Herbert hinübersah.
    Diesmal zuckte Sir Herbert zusammen und schüttelte leise den Kopf, als könne er das, und wenn er hundertmal zum Schweigen verurteilt war, nicht unwidersprochen lassen.
    »Hat sie je über ihre persönlichen Gefühle Sir Herbert gegenüber gesprochen?« fragte Lovat-Smith weiter.
    »Ja. Sie verehrte ihn leidenschaftlich und war der festen Überzeugung, daß ihr künftiges Glück ganz in seinen Händen lag. Das hat sie mir selbst gesagt – wortwörtlich.«
    Lovat-Smith tat überrascht. »Haben Sie denn nicht versucht, sie von diesem Irrtum zu befreien, Mr. Taunton? Sie müssen sich doch darüber im klaren gewesen sein, daß Sir Herbert Stanhope ein verheirateter Mann ist.« Er wies mit einem schwarzgekleideten Arm in Richtung Anklagebank. »Und daß er ihr nichts als berufliche Hochachtung entgegenbringen könnte, und selbst das nur in ihrer Eigenschaft als Krankenschwester, einer Position also, die sehr weit unter der seinen lag. Sie waren ja noch nicht einmal Kollegen, jedenfalls nicht im Sinne einer Gleichberechtigung. Was also hätte sie sich erhoffen können?«
    »Ich habe nicht die geringste Ahnung.« Er schüttelte den Kopf, sein Mund vor Wut und Schmerz verzerrt. »Jedenfalls nichts von Bedeutung! Er hat sie belogen – und das ist noch das kleinste seiner Vergehen.«
    »Durchaus«, pflichtete Lovat-Smith ihm weise bei. »Aber das zu entscheiden ist Sache der Geschworenen, Mr. Taunton. Hier noch mehr zu sagen, stünde uns nicht zu. Ich danke Ihnen, Sir. Wenn Sie bitte noch bleiben würden, ich habe keinen Zweifel, daß mein hochverehrter Kollege Sie noch zu befragen wünscht.« Er wandte sich bereits seinem Platz zu, drehte sich dann aber noch einmal um und blickte zum Zeugenstand hinauf. »Oh! Wenn Sie schon da sind, Mr. Taunton: Hielten Sie sich am Morgen von Schwester Barrymores Tod im Krankenhaus auf?« Sein Ton war völlig unschuldig, als handle es sich um eine ganz beiläufige Frage.
    »Ja«, sagte Geoffrey vorsichtig, sein Gesicht reglos und blaß. Lovat-Smith senkte den Kopf. »Wir haben hier gehört, daß Sie zu Temperamentsausbrüchen neigen, wenn man Sie über Gebühr reizt.« Er sagte das mit der Andeutung eines Lächelns, als sei das schließlich keine Sünde, sondern eher eine kleine Schwäche. »Haben Sie sich an jenem Morgen mit Prudence gestritten und die Kontrolle verloren?«
    »Nein!« Die Knöchel von Geoffreys Händen auf der Brüstung wurden weiß.
    »Sie haben sie also nicht ermordet?« fügte Lovat-Smith mit hochgezogenen Brauen und leicht angehobener Stimme hinzu.
    »Nein, das habe ich nicht!« Geoffrey zitterte; seine Gefühle waren ihm deutlich am Gesicht abzulesen. Von der Galerie her kam ein mitfühlendes Raunen, während man in einer anderen Ecke ungläubig zischte.
    Hardie hob den Hammer, ließ ihn dann jedoch lautlos sinken. Rathbone stand auf. Im Vorbeigehen traf sich sein Blick kurz mit dem seines Vorgängers. Er hatte ihm den Wind aus den Segeln genommen, der Augenblick der Überlegenheit war vorbei, und beide wußten es.
    Er starrte zum Zeugenstand hinauf. »Sie haben also versucht, Prudence Barrymore die Vorstellung auszureden, ihr persönliches Glück liege in den Händen von Sir Herbert Stanhope?« fragte er mild.
    »Selbstverständlich«, antwortete er. »Es war absurd.«
    »Weil Sir Herbert bereits verheiratet ist?« Er steckte die Hände in die Taschen, seine ganze Haltung war ausgesprochen lässig.
    »Natürlich«, antwortete Geoffrey. »Es war völlig unmöglich, daß er ihr irgend etwas anderes bieten konnte als berufliche Hochachtung, jedenfalls nichts Ehrenwertes. Und wenn sie ihr Verhalten nicht änderte, so würde sie selbst diese verlieren!« Sein Gesicht wurde hart, seine Ungeduld darüber, daß Rathbone auf etwas so Offensichtlichem und zudem Schmerzlichem herumreiten konnte, war ihm deutlich anzusehen.
    Rathbone legte die Stirn in Falten. »Es war also eine auffallend törichte Handlungsweise, die ihr nur schaden konnte? Wozu sollte sie schon führen außer zu Peinlichkeiten, Unglück und Hoffnungslosigkeit.«
    »Genau«, stimmte Geoffrey ihm zu, wobei er verächtlich die Lippen verzog. Er wollte eben noch etwas hinzufügen, als Rathbone ihm das Wort abschnitt.
    »Sie hegten große Zuneigung zu Miss Barrymore und kannten sie seit langer Zeit. Ja, Sie kennen sogar ihre Familie. Ihr Verhalten muß doch sehr schmerzlich für Sie gewesen

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