Im Schatten der Gerechtigkeit
bereit, über den Mittelsmann – die Mittelsfrau – auszusagen.«
»Das können Sie nicht, es ist zu gefährlich«, sagte er sofort.
»Außerdem werden die Ihnen nichts sagen!«
Sie sah ihn empört an. »Ich werde doch nicht einfach hingehen und sie fragen, um Himmels willen! Und außerdem haben wir keine Zeit, zimperlich zu sein. Mehr als ein, zwei Tage kann Oliver den Prozeß unmöglich hinauszögern!«
Sein Protest lag ihm auf der Zunge, blieb aber unausgesprochen. »Um welche Zeit macht so eine Putzmacherin auf?« fragte er.
Sein erster Versuch war ein haarsträubender Fehlschlag. Das Geschäft hatte um zehn Uhr geöffnet, obwohl die Blumenmacherinnen, die Stickerinnen, Bänderschneiderinnen und Büglerinnen schon seit sieben bei der Arbeit waren. Eine Frau mittleren Alters mit einem harten, lauernden Gesicht begrüßte ihn und fragte, womit sie ihm dienen könne.
Er sagte, er suche einen geeigneten Hut für seine Schwester, und vermied dabei tunlichst, den Blick über die ausgestellten Modelle aus Stroh, Filz, Leinen, Federn, Blumen, Bändern und Spitze schweifen zu lassen, die sich auf den Regalen bis in die hintersten Ecken häuften.
Herablassend bat sie ihn, ihr seine Schwester zu beschreiben, und fragte nach dem Anlaß, zu dem sie den Hut tragen wollte.
Er versuchte ihr Beth zu beschreiben, ihre Züge, den Eindruck, den sie vermittelte.
»Ihre Gesichtsfarbe, Sir«, sagte sie leicht ungeduldig. »Ist sie dunkel wie Sie oder der helle Typ? Hat sie große Augen? Ist sie groß oder klein?«
Hester verfluchend, der er dieses idiotische Abenteuer zu verdanken hatte, legte er sich fest: »Hellbraunes Haar, große blaue Augen«, antwortete er hastig. »Etwa Ihre Größe.«
»Und der Anlaß, Sir?«
»Für den Kirchgang!«
»Äh ja. Wäre das hier in London, Sir, oder irgendwo auf dem Land?«
»Auf dem Land.« War sein northumbrisches Erbe so offensichtlich? Warum hatte er nicht London gesagt: Es wäre um so vieles einfacher gewesen. Außerdem spielte es ohnehin keine Rolle. Er würde den Hut so und so nicht kaufen!
»Äh ja. Wenn Sie sich vielleicht einige von diesen hier ansehen wollen?« Sie führte ihn zu einigen ausgesprochen schlichten Modellen aus Stroh und Stoff. »Wir schmücken sie selbstverständlich ganz nach Ihren Wünschen, Sir«, fügte sie hinzu, als sie seinen Blick sah.
Das Blut stieg ihm in die Wangen. Er kam sich wie ein vollendeter Dummkopf vor. Wieder verwünschte er Hester.
Nichts außer seinem rasenden Zorn auf Sir Herbert hätte ihn in diesem Laden halten können. »Wie wäre es mit etwas in Blau?«
»Wenn Sie es wünschen«, sagte sie mißbilligend. »Ziemlich auffällig, finden Sie nicht, Sir? Wie wäre es mit grün und weiß?« Sie nahm einen Strauß künstlicher Maßliebchen und hielt sie gegen einen grünen Strohhut mit grünem Band. Die Wirkung war so frisch und zart, daß er sich schlagartig in seine Kindertage versetzt fühlte – er und die kleine Beth auf einem sommerlichen Feld.
»Das ist hübsch«, sagte er ungewollt.
»Ich lasse ihn liefern«, sagte sie sofort. »Morgen früh ist alles fertig. Miss Liversedge wird sich um die Einzelheiten kümmern. Sie können alles Weitere mit ihr besprechen.«
Fünf Minuten später stand Monk wieder auf der Straße; er hatte einen Hut für Beth gekauft und keine Ahnung, wie er ihn ihr nach Northumberland schicken sollte. Er fluchte in sich hinein. Er hätte auch Hester gestanden, aber sie war wirklich die letzte, der er ihn schenken würde!
Im nächsten Geschäft, einem weniger exklusiven, ging es lebhafter zu. Sein mittlerweile lodernder Zorn sorgte dafür, daß er nicht erst einen der Hüte für gut befinden mußte.
Er konnte unmöglich den ganzen Tag damit vertun, sich Hüte anzusehen. Er mußte den Stier bei den Hörnern packen, so schwierig es auch sein mochte.
»Um genau zu sein, ist die betreffende Dame in anderen Umständen«, sagte er ganz unvermittelt.
»Da wird sie für einige Zeit das Haus hüten müssen«, bemerkte die Verkäuferin, die sofort an die praktische Seite dachte. »Dann trägt sie den Hut wohl nur einige Monate oder gar Wochen?«
Er machte ein Gesicht. »Es sei denn, es gelingt ihr…« Mit einem leichten Achselzucken verstummte er.
Die Frau merkte sofort, woher der Wind wehte. »Hat sie denn bereits eine so große Familie?«
»In der Tat.«
»Was für ein Unglück. Dann, Sir, nehme ich wohl an, ist sie nicht… nicht sehr glücklich über das freudige Ereignis?«
»Nicht im geringsten«,
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