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Im Schatten der Gerechtigkeit

Im Schatten der Gerechtigkeit

Titel: Im Schatten der Gerechtigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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verstehen, dann sehe ich keine Möglichkeit, es Ihnen beizubringen!«
    Monk wählte seine Worte sehr sorgfältig. »Ich gebe Ihnen völlig recht, daß es sich um ein schändliches Verbrechen handelt, Mrs. Penrose. Daß ich keine Neigung verspüre, den Fall weiter zu verfolgen, hat nichts mit der Schwere des Verbrechens zu tun, sondern ausschließlich mit der Unmöglichkeit, den Schuldigen jetzt noch zu finden.«
    »Ich nehme an, ich hätte früher zu Ihnen kommen sollen«, räumte sie ein. »Das wollen Sie mir doch damit sagen, oder? Marianne hat mir den wahren Sachverhalt die ersten Tage über verschwiegen, und dann dauerte es noch eine Weile, bis ich zu einem Entschluß kam, was am besten zu tun wäre. Und schließlich brauchte ich noch drei Tage, um Sie aufzuspüren und mich nach Ihrem Ruf zu erkundigen – der im übrigen ausgezeichnet ist! Um so mehr überrascht es mich, daß Sie so rasch aufgeben wollen. Ich habe da ganz etwas anderes gehört.«
    Er spürte, wie er zornig wurde, und nur Mariannes Seelenqualen hielten ihn davon ab zurückzuschlagen.
    »Ich komme morgen wieder vorbei, und wir sprechen noch einmal darüber«, sagte er grimmig. »Jedenfalls kann ich kein Geld mehr von Ihnen für etwas nehmen, was meiner Ansicht nach nicht zu bewerkstelligen ist.«
    »Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie vormittags kämen«, antwortete sie. »Wie Sie ja bemerkt haben, weiß mein Gatte nicht, worum es geht, und es fällt mir zunehmend schwer, Ihre Anwesenheit zu erklären.«
    »Vielleicht geben Sie mir besser einen Brief für Ihren Cousin, Mr. Finnister«, schlug er vor. »Ich werde ihn für Sie zur Post bringen, damit nicht irgendwann etwas auf Sie zurückfällt, falls etwas davon laut werden sollte.«
    »Ich danke Ihnen. Das ist sehr umsichtig von Ihnen. Ich werde Ihnen einen geben.«
    Immer noch etwas verärgert, verabschiedete er sich und ging in forschem Tempo zurück in seine Zimmer in der Fitzroy Street.
    Er wollte einfach zu keiner befriedigenden Lösung kommen. Er verstand weder die Situation noch die Gefühle der beiden Frauen gut genug, um sich in seiner Entscheidung sicher zu sein. Sein Zorn auf Audley Penrose war gewaltig. Mit tiefster Befriedigung hätte er seine Bestrafung zur Kenntnis genommen. Er sehnte sich geradezu danach. Und dennoch konnte er Mariannes Bedürfnis verstehen, nicht nur sich selbst zu schützen, sondern auch Julia.
    Dieses eine Mal mußte er seinen Ruf als Detektiv hintanstellen. Was auch immer bei diesem Fall herauskam, er durfte noch nicht einmal daran denken, die beiden Frauen nur um seines beruflichen Ansehens willen zu ruinieren.
    Todunglücklich und entsprechend gereizt ging er zu Callandra Daviot und sah seine miserable Laune auf der Stelle ins Bodenlose sinken, als er dort auf Hester Latterly traf. Es war schon einige Wochen her, seit er sie das letzte Mal gesehen hatte, und ihr Abschied war alles andere als herzlich gewesen. Wie schon so oft hatten sie sich mehr über die Form als den Inhalt gestritten. Ehrlich gesagt erinnerte er sich im Augenblick nicht einmal mehr daran, worum es gegangen war, nur an ihre übliche spitzzüngige Art und daß sie nicht bereit gewesen war, seinen Standpunkt auch nur in Betracht zu ziehen. Jetzt saß sie in Callandras bestem Sessel, seinem Lieblingssessel, und machte einen müden Eindruck – weit entfernt von dem angenehm weiblichen Wesen einer Julia Penrose. Hesters Haar war dick und glatt, und sie hatte sich gar nicht erst die Mühe gemacht, es in Locken zu legen oder zu Zöpfen zu flechten. So wie sie es nach hinten gekämmt hatte, betonte es den schönen kräftigen Knochenbau ihres Gesichts und die leidenschaftlichen Züge, aber ihre Intelligenz war viel zu dominant, um attraktiv zu wirken. Ihr Kleid war hellblau, der Rock reiflos und etwas zerknittert.
    Ohne sie weiter zu beachten, bedachte er Callandra mit einem Lächeln. »Guten Abend, Callandra.« Es hatte herzlich klingen sollen, aber seine gedrückte Stimmung färbte es stärker ein, als ihm lieb war.
    »Guten Abend, William«, antwortete Callandra mit dem leisen Anflug eines Lächelns in den Winkeln ihres breiten Munds.
    Monk wandte sich an Hester. »Guten Abend, Miss Latterly«, sagte er kühl und mit unverhohlener Enttäuschung.
    »Guten Abend, Mr. Monk«, antwortete Hester, die sich ihm zuwandte, aber nicht aufstand. »Sie sehen etwas ungehalten aus. Arbeiten Sie an einem unangenehmen Fall?«
    »Die meisten Kriminalfälle sind unangenehm«, erwiderte er.
    »Wie die meisten

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