Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Schatten der Gerechtigkeit

Im Schatten der Gerechtigkeit

Titel: Im Schatten der Gerechtigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
Vom Netzwerk:
glauben? Sie bringen sie damit in eine unmögliche Position zwischen ihrem Gatten und ihrer Schwester.«
    »Und es kommt noch schlimmer«, fuhr Monk fort. »Sie sind beide finanziell von Audley abhängig.«
    »Er kann seine Frau nicht hinauswerfen!« Hester richtete sich auf, das Gesicht rot vor Zorn. »Und mit Sicherheit wäre sie nicht so – oh, aber natürlich! Sie meinen, sie entschließt sich womöglich selbst zum Gehen. Ach, du lieber Gott.« Sie biß sich wieder auf die Lippe. »Und selbst wenn das Verbrechen zu beweisen wäre, was es mit ziemlicher Sicherheit nicht ist, und er verurteilt würde, dann wären die beiden mittellos und säßen auf der Straße. Was für eine absurde Situation!« Sie ballte die Hände im Schoß, und ihre Stimme belegte sich vor ohnmächtiger Wut.
    Zornig stand sie auf. »Wenn nur Frauen genauso einen Beruf erlernen könnten wie Männer! Wenn nur Frauen auch Ärzte, Architekten oder Anwälte sein könnten!« Sie trat ans Fenster und wandte sich um. »Oder wenigstens Verkäuferinnen oder Ladeninhaber! Irgend etwas Besseres als Dienstmädchen, Schneiderinnen oder Huren! Aber welche Frau verdient schon genug, um in etwas Besserem zu wohnen als einer Pension wenn sie Glück hat? Und in einer Mietskaserne, wenn sie keines hat? Immer hungrig, immer frierend, und ständig den Gedanken im Kopf, ob es nächste Woche nicht noch schlimmer kommt.«
    »Sie träumen«, sagte Monk, aber nicht um sie zu kritisieren. Er verstand ihre Gefühle, erkannte die Fakten dahinter. »Und selbst wenn es eines Tages dazu kommen sollte, was ziemlich unwahrscheinlich ist, da es gegen die naturgegebene Gesellschaftsordnung verstößt, so hilft das weder Julia Penrose noch ihrer Schwester. Egal was ich ihr erzähle – oder nicht –, es wird den beiden schaden.«
    Sie schwiegen einige Minuten, während jeder auf seine Weise über das Problem nachdachte. Hester am Fenster, Callandra in ihren Sessel gelehnt, Monk auf der Kante des seinen. Schließlich war es Callandra, die das Schweigen brach.
    »Ich denke, Sie sollten es Julia sagen«, sagte sie ruhig, leise und unglücklich. »Es ist zwar nicht die ideale Lösung, aber ich denke, es ist besser, als es ihr nicht zu sagen. Außerdem liegt die Entscheidung dann bei ihr und nicht bei Ihnen. Und wie Sie schon sagten, was immer Sie tun, es ist gut möglich, daß sie die Angelegenheit so oder so vorantreibt, bis sie etwas erfährt. Und gebe Gott, sie trifft die richtige Entscheidung. Wir können nur hoffen.«
    Monk sah Hester an.
    »Dem kann ich nur zustimmen«, antwortete sie. »Es gibt keine befriedigende Lösung, und egal was Sie ihr sagen, Sie rauben ihr den Frieden damit, aber ich fürchte, mit dem ist es so oder so aus. Falls er weitermacht, nimmt Marianne noch größeren Schaden, oder sie bekommt gar ein Kind, und alles wird noch schlimmer. Und Julia würde sich selbst die Schuld dafür geben – und Ihnen.«
    »Was ist mit meinem Versprechen Marianne gegenüber?« fragte er.
    Ihrem Blick war anzusehen, wie unglücklich sie war.
    »Denken Sie denn, sie weiß, auf was sie sich da einläßt? Sie ist jung, unverheiratet. Viele Mädchen haben keine Ahnung, wie Kinder zur Welt kommen, ja noch nicht einmal, wie sie zustande kommen. Sie entdecken das erst im Ehebett.«
    »Ich weiß nicht.« Die Antwort genügte ihm nicht. »Ich habe ihr mein Wort gegeben.«
    »Dann werden Sie ihr eben sagen müssen, daß Sie es nicht halten können«, erwiderte Callandra. »Was nicht einfach sein wird. Aber welche Alternativen haben Sie denn?«
    »Ich könnte es halten.«
    »Macht das nicht alles viel schwieriger – wenn nicht jetzt, dann später?« Er wußte, sie hatte recht. Er konnte dieser Angelegenheit nicht einfach den Rücken kehren und alles vergessen. Jede einzelne der tragischen Möglichkeiten würde ihn in seiner Phantasie verfolgen, und er würde, wenigstens teilweise, die Verantwortung dafür tragen.
    »Ja«, gab er zu. »Ja… ich muß noch mal hin und es Marianne sagen.«
    »Tut mir leid.« Hester legte ihm kurz eine Hand auf den Arm, zog sie aber gleich wieder zurück. Es gab nichts weiter zu sagen, und sie konnten ihm beide nicht helfen. Statt dessen sprachen sie über Dinge, die nichts mit ihrer Arbeit zu tun hatten: von den neuesten Romanen und was sie über sie gehört hatten, von Politik, vom Stand der Dinge in Indien und der beängstigenden Nachricht einer Meuterei, dem Krieg in China. Als sie sich spät an diesem Sommerabend voneinander verabschiedeten und Monk

Weitere Kostenlose Bücher