Im Schatten der Gerechtigkeit
Respekt und Bewunderung aus.
Er war überrascht, wie gut ihm das tat. Unvermittelt verschwand die Bitterkeit über seinen Entschluß. Sein Stolz verflüchtigte sich.
»Und Sie geben sich damit zufrieden?« zertrümmerte Callandra den schönen Augenblick.
»Nicht zufrieden«, entgegnete er. »Aber mir will einfach nichts Besseres einfallen. Es gibt keine anständige Alternative.«
Sie ließ nicht locker. »Und Audley Penrose?«
»Dem würde ich am liebsten den Hals umdrehen«, sagte er ungestüm. »Aber das ist ein Luxus, den ich mir nicht leisten kann.«
»Ich denke hier nicht an Sie, William«, sagte Callandra nüchtern. Sie war die einzige Person, die ihn bei seinem Vornamen nannte, und so sehr ihm diese Vertraulichkeit gefiel, sie rückte ihm Callandra auch nahe genug, um jede Verstellung unmöglich zu machen.
»Was?« meinte er etwas abrupt.
»Ich denke nicht an die Befriedigung Ihrer persönlichen Rache«, erklärte sie. »So süß sie auch wäre. Auch nicht an Ihre Vorstellung von Gerechtigkeit. Ich denke an Marianne Gillespie. Wie kann sie in diesem Haus weiterleben mit dem, was ihr passiert ist – und sehr gut wieder passieren kann, wenn er glaubt, damit durchgekommen zu sein.«
»Das ist ihre Entscheidung«, gab Monk zurück, aber es war keine befriedigende Antwort, und er wußte es. »Sie hat mit allem Nachdruck darauf bestanden«, fuhr er fort, um sich zu rechtfertigen. »Angefleht hat sie mich, Julia nichts zu sagen, und ich habe ihr mein Wort gegeben.«
»Und was stört Sie dann jetzt?« fragte Callandra mit großen Augen. Hester sah abwartend und mit gespannter Konzentration von einem zum anderen.
Monk zögerte.
»Ist es die reine Eitelkeit, weil Sie nicht gern als Verlierer dastehen?« fuhr Callandra fort. »Ist das alles, William: Ihr Ruf?«
»Nein – nein, ich weiß nicht, was es ist«, gestand er, und sein Zorn flaute vorübergehend ab.
»Haben Sie sich überlegt, wie ihr Leben aussehen wird, wenn er sie nicht in Ruhe läßt?« Callandras Stimme war ausgesprochen ruhig, aber die Eindringlichkeit ihres Tons füllte den Raum. »Sie wird vor Angst fast vergehen, jedesmal, wenn sie mit ihm allein ist, weil es wieder passieren könnte. Sie wird vor Angst fast vergehen, daß Julia sie ertappen könnte und daran zerbricht.« Sie beugte sich etwas weiter vor. »Marianne wird das Gefühl haben, ihre Schwester verraten zu haben, auch wenn es nicht ihre Schuld war, aber wird ihr Julia das glauben? Wird nicht zeitlebens das Gefühl an ihr nagen, daß Marianne im Grunde ihres Herzens doch willig war und ihn, wenn auch noch so zart, ermutigt hat?«
»Das glaube ich nicht!« sagte er heftig. »Sie würde sich lieber auf die Straße setzen lassen, als es Julia zu sagen!«
Callandra schüttelte den Kopf. »Ich spreche nicht von jetzt, William! Ich spreche davon, was passieren wird, wenn sie nichts sagt und zu Hause bleibt. Sie mag noch nicht daran gedacht haben, aber Sie müssen daran denken. Sie sind der einzige, der sämtliche Fakten kennt. Sie allein sind in der Lage, etwas zu tun.«
Unter dem Ansturm seiner Gedanken und Befürchtungen saß Monk schweigend da. Schließlich mischte sich Hester ein. »Es gibt noch etwas viel Schlimmeres«, sagte sie ruhig. »Was, wenn sie ein Kind bekommt?«
Monk und Callandra wandten sich ihr beide langsam zu, und es war nur zu offensichtlich, daß ihnen der Gedanke noch gar nicht gekommen war, und nun waren sie entsetzt.
»Was immer Sie versprochen haben, es ist nicht genug«, sagte Callandra grimmig. »Sie können sich nicht einfach drücken und die beiden ihrem Schicksal überlassen.«
»Aber kein Mensch hat das Recht, sich über Ihre Entscheidung hinwegzusetzen!« warf Hester ein, nicht etwa aus reiner Opposition, sondern weil es einfach gesagt werden mußte. Ihre eigenen widersprüchlichen Gefühle waren ihr deutlich anzusehen. In diesem Augenblick verspürte Monk keinerlei Feindseligkeit ihr gegenüber, nur das alte Gefühl einer bedingungslosen Freundschaft, eines Bandes zwischen zwei Menschen, die einander verstehen und die Leidenschaft für ein und dieselbe Sache teilen.
»Wenn ich ihr absage, so denke ich, ist Julia durchaus in der Lage, sich einen anderen Ermittler zu suchen, der den Fall übernimmt«, fügte Monk unglücklich hinzu. »Ich habe das Marianne noch nicht gesagt, weil ich sie nach meiner Unterhaltung mit Julia nicht mehr gesehen habe.«
»Aber was wird passieren, wenn Sie es Julia sagen?« fragte Hester besorgt. »Wird sie es Ihnen
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