Im Schatten der Gerechtigkeit
sagen, ließ es aber dann sein.
»Können Sie sicher sein, daß es nicht noch einmal passiert?« insistierte er ruhig.
»Ich… aber…« Sie senkte den Blick. »Das war doch sicher nur ein furchtbarer Fehltritt – bei einem Mann, der sich sonst mustergültig verhält? Ich bin sicher, daß er Julia liebt…«
»Was hätten Sie noch eine Woche davor zu der Möglichkeit gesagt, daß so etwas passieren könnte? Haben Sie gewußt, haben Sie erwartet, daß er so etwas tun könnte?«
Worauf sie ihn anfunkelte. »Aber natürlich nicht! Wie können Sie nur so etwas Schreckliches sagen! Nein! Nein, ich hatte keine Ahnung! Nicht die geringste!« Sie wandte sich abrupt ab, als hätte er Anstalten gemacht, sie körperlich anzugreifen.
»Dann können Sie also nicht sagen, daß es nicht noch einmal passieren wird«, sagte er vernünftig. »Tut mir leid.« Er war drauf und dran, ihr zu sagen, daß die Möglichkeit bestand, ein Kind zu bekommen, aber dann fiel ihm ein, was Hester und Callandra gesagt hatten: Marianne wußte womöglich noch nicht einmal, wie Kinder gezeugt wurden. Also sagte er nichts. Seine Hilflosigkeit und die Unzulänglichkeit seiner Bemühungen schnürten ihm die Kehle zu.
»Es muß sehr schwer gewesen sein für Sie, mir das zu sagen.« Sie wandte sich ihm langsam wieder zu, ihr Gesicht völlig blutleer. »Es gibt viele Männer, die dazu nicht den Mut gehabt hätten. Ich danke Ihnen wenigstens dafür.«
»Jetzt muß ich aber mit Mrs. Penrose sprechen. Ich wollte, ich wüßte etwas Besseres, aber mir will nichts einfallen.«
»Sie ist im Salon. Ich warte in meinem Schlafzimmer. Audley wird mich wohl bitten, das Haus zu verlassen, und Julia wird das auch wollen.« Worauf sie sich mit bebenden Lippen umdrehte und zur Tür ging – zu schnell, als daß er sie vor ihr hätte erreichen können. Sie drehte ungeschickt am Knopf, zog die Tür auf und ging erhobenen Hauptes, aber unsicheren Schritts auf die Treppe zu.
Er blieb einen Augenblick lang stehen, versuchte sich noch ein letztes Mal etwas anderes einfallen zu lassen. Dann obsiegte der Verstand über das Gefühl, er schlug den mittlerweile vertrauten Weg ein und klopfte an die Tür zum Salon.
Man bat ihn einzutreten. Julia stand am Tisch in der Mitte des Raums vor einer Blumenvase, einen leuchtenden langstieligen Rittersporn in der Hand. Offensichtlich hatte ihr seine Position nicht zugesagt, und sie hatte ihn herausgenommen, um den Strauß selbst zu arrangieren. Als sie sah, um wen es sich handelte, steckte sie die Blume schief zurück, ohne sich die Mühe zu machen, sie noch weiter zurechtzurücken.
»Guten Morgen, Mr. Monk.« Ihre Stimme bebte ein klein wenig. Sie musterte sein Gesicht und entdeckte etwas in seinem Ausdruck, was ihr angst machte. »Was ist los?«
Er schloß die Tür hinter sich. Das hier würde ausgesprochen schmerzlich werden. Es gab kein Zurück mehr, noch nicht einmal die Möglichkeit, es ihr irgendwie leichter zu machen.
»Ich habe Ihnen gestern nicht die Wahrheit gesagt, Mrs. Penrose.«
Sie starrte ihn stumm an. Der Schatten der Überraschung und des Zorns über ihren Augen konnten die Angst darin nicht verbergen.
Es war so, als schaue er jemanden offen an, während er ihm den Todesstoß versetzte. Hatte er es ihr einmal gesagt, es wäre nicht mehr rückgängig zu machen. Obwohl also sein Entschluß feststand, zögerte er noch.
»Das müssen Sie mir schon erklären, Mr. Monk«, sagte sie schließlich, wobei ihr die Stimme versagte. Sie schluckte, um den Hals freizubekommen. »Das einfach so zu sagen genügt nicht. In welcher Hinsicht haben Sie mich gestern belogen und warum?«
Er beantwortete die zweite Frage zuerst. »Weil die Wahrheit so unangenehm ist, daß ich sie Ihnen ersparen wollte, Madam. Und außerdem war es Miss Gillespies Wunsch. Sie hat zuerst geleugnet, bis die Beweislast ihr das schließlich unmöglich machte. Woraufhin sie mich angefleht hat, Ihnen nichts davon zu sagen. Sie war bereit, lieber alle Konsequenzen selbst zu tragen, als Sie einzuweihen. Deshalb mußte ich heute erst mit ihr sprechen, um ihr zu sagen, daß ich mein Wort ihr gegenüber nicht länger halten kann.«
Julia war so weiß, daß er schon befürchtete, sie würde in Ohnmacht fallen. Langsam trat sie von dem Tisch mit dem leuchtenden Strauß zurück und griff nach der Lehne des Sofas hinter sich. Ohne ihn aus den Augen zu lassen, sank sie in die Polster.
»Sie sagen mir besser, worum es sich handelt, Mr. Monk. Ich muß es wissen.
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