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Im Schatten der Gerechtigkeit

Im Schatten der Gerechtigkeit

Titel: Im Schatten der Gerechtigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Mariannes Geburt ein Kind nach dem anderen. Alle waren sie Fehlgeburten oder starben. Ich habe sie in ihrem Schmerz erlebt.« Ganz sachte begann sie sich zu wiegen, als erleichterte sie die Bewegung, während die Worte aus ihr heraussprudelten. »Ich erinnere mich daran, wie bleich sie war, und an das Blut auf den Laken. Furchtbar viel, große rote Flecken – man hätte meinen können, das Leben selbst rinne aus. Da man es vor mir zu verbergen suchte, mußte ich auf meinem Zimmer bleiben. Aber ich hörte sie vor Schmerzen weinen und sah die Dienstmädchen, die die Laken so zusammenzulegen versuchten, daß man nichts sah.« Tränen liefen ihr übers Gesicht, aber sie ignorierte es. »Und als ich sie schließlich sehen durfte, sah sie so müde aus. Sie hatte dunkle Ringe unter den Augen, ihre Lippen waren ganz weiß. Ich wußte, sie hatte wegen des verlorenen Babys geweint, und ich konnte es einfach nicht ertragen!«
    Ohne zu überlegen, legte Monk seine Hände auf die ihren. Unbewußt hielt sie sich an ihm fest, mit kräftigen Fingern, als greife sie nach einer Rettungsleine.
    »Ich wußte, sie hatte jedesmal, wenn sie ein Kind trug, eine entsetzliche Angst vor der Geburt. Ich spürte diese Angst, obwohl ich damals nicht wußte, was dafür verantwortlich war. Und als Marianne geboren war, hat sie sich so sehr gefreut!« Sie lächelte, als sie daran zurückdachte, und für einen Augenblick bekamen ihre Augen einen zärtlichen Glanz. »Sie hielt sie hoch und zeigte sie mir, als hätten wir es zusammen geschafft. Die Hebamme wollte mich hinausschicken, aber Mama ließ es nicht zu. Ich glaube, sie wußte damals schon, daß sie im Sterben lag. Sie nahm mir das Versprechen ab, auf Marianne zu achten, wie sie selbst es getan hätte, für Marianne zu tun, was ihre Mutter nicht für sie tun konnte.«
    Julia weinte nun ganz offen. Monk litt mit ihr und seiner eigenen Hilflosigkeit wegen – für all die verängstigten, verlorenen und trauernden Frauen.
    »Ich bin die ganze Nacht bei ihr geblieben«, fuhr sie fort und wiegte sich noch immer dabei. »Am Morgen setzten wieder die Blutungen ein, und man schickte mich hinaus, aber ich weiß noch, daß man nach dem Arzt schickte. Er ging die Treppe hinauf, sein Gesicht war ernst, und er hatte eine schwarze Tasche in der Hand. Man trug wieder Laken heraus, die Dienstmädchen waren völlig verschreckt, und der Butler stand den Tränen nahe herum. Mama starb noch am Morgen. Ich weiß jetzt nicht mehr wann, aber ich wußte es. Ich kam mir plötzlich so allein vor wie nie zuvor. Ich habe mich seither nie wieder so richtig warm und geborgen gefühlt.«
    Was sollte er darauf sagen. Er war wütend, hilflos, dummerweise selbst den Tränen nahe und von derselben unheilbaren Einsamkeit erfüllt wie sie. Er festigte seinen Griff um ihre Hände. Einige Augenblicke lang schwiegen sie beide.
    Schließlich hob sie den Kopf, richtete sich auf und fischte nach einem Taschentuch. Wieder gab Monk das seine, das sie wortlos entgegennahm. Einen Augenblick später fuhr sie fort.
    »Ich kann mir einfach nicht vorstellen, selbst ein Kind zu bekommen. Der bloße Gedanke ist mir unerträglich. Ich habe eine solche Angst davor, daß ich lieber gleich durch eine Kugel sterben würde, als die Qualen durchzumachen, die Mama durchgemacht hat. Ich weiß, es ist falsch, wahrscheinlich sogar gottlos. Schließlich sollen Frauen ihren Männer nachgeben und Kinder bekommen. Es ist unsere Pflicht. Aber ich habe eine solche Todesangst davor, daß ich einfach nicht kann! Es ist wie ein Fluch. Und jetzt ist Marianne wegen mir vergewaltigt worden!«
    »Nein! Das ist Unsinn!« sagte er wütend. »Was immer zwischen Ihnen und Ihrem Gatten passiert, ist keine Entschuldigung dafür, was er Marianne angetan hat! Wenn er sich nicht in Enthaltsamkeit üben konnte, so gibt es Frauen, deren Beruf es ist, solchen Begierden entgegenzukommen. Er hätte sehr leicht eine von ihnen bezahlen können.« Er hätte sie am liebsten geschüttelt, bis sie verstand. »Sie dürfen sich nicht die Schuld geben«, sagte er beharrlich. »Das ist falsch und töricht und wird weder Ihnen noch Marianne etwas nützen. Hören Sie mich?« Seine Stimme war gröber als beabsichtigt, aber er meinte, was er sagte, und es ließ sich nicht zurücknehmen.
    Sie hob langsam den Kopf und sah ihn mit tränenverhangenen Augen an.
    »Sich selbst die Schuld zu geben hieße, sich gehenzulassen. Es würde Ihnen alle Kraft rauben!« sagte er noch einmal. »Sie müssen jetzt

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