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Im Schatten der Gerechtigkeit

Im Schatten der Gerechtigkeit

Titel: Im Schatten der Gerechtigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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stark sein! Sie müssen sich einer beängstigenden Situation stellen. Sehen Sie nicht nach hinten, sehen Sie nach vorne und nur nach vorne! Wenn Sie sich nicht überwinden können, Ihre Ehe zu vollziehen, dann muß sich Ihr Mann eben anderweitig umsehen, aber nicht bei Marianne. Nie und nimmer bei Marianne!«
    »Ich weiß!« flüsterte sie. »Aber schuldig bin ich dennoch. Er hat ein Recht darauf, das von mir zu erwarten – und ich habe es ihm nicht gewährt. Ich bin eine Betrügerin, daran ist nicht zu rütteln.«
    »Nun, das ist wahr.« Er wollte ihr nicht ausweichen. Es würde keinem von ihnen nützen. »Aber Ihr Verhalten entschuldigt nicht sein Verbrechen. Sie müssen jetzt überlegen, was Sie als nächstes tun, nicht was Sie hätten tun sollen.«
    »Was kann ich denn tun?« Ihre Augen suchten verzweifelt die seinen.
    »Das ist eine Entscheidung, die ich Ihnen nicht abnehmen kann«, antwortete er. »Aber Sie müssen Marianne davor schützen, daß es jemals wieder dazu kommt. Würde sie ein Kind bekommen, es würde sie ruinieren.« Er brauchte ihr nicht zu erklären, was er meinte. Sie wußten beide, daß kein respektabler Mann eine Frau mit einem unehelichen Kind heiraten würde. Nicht nur das, es gäbe keinen Mann, in dessen Augen sie etwas anderes als eine gewöhnliche Hure wäre, egal wie falsch er damit liegen mochte.
    »Das werde ich«, versprach sie, und zum erstenmal hatte sie wieder etwas von dem alten Stahl in der Stimme. »Es gibt keine andere Möglichkeit. Ich werde meine Angst eben in den Griff bekommen müssen.« Wieder wurden ihre Augen feucht, und ihre Stimme drohte zu ersticken. Dann beherrschte sie sich mit äußerster Anstrengung. »Ich danke Ihnen, Mr. Monk. Sie haben sich Ihrer Pflichten ehrenvoll entledigt. Ich danke Ihnen dafür. Sie können mir Ihre Rechnung vorlegen, und ich werde dafür sorgen, daß sie beglichen wird. Wenn Sie so freundlich wären, sich selbst hinauszulassen. Ich möchte mich in diesem Zustand nicht vor den Dienstboten zeigen.«
    »Selbstverständlich.« Er stand auf. »Es tut mir aufrichtig leid. Ich wollte, ich hätte Ihnen eine andere Antwort geben können.« Er wartete nicht erst auf eine Erwiderung, die ohnehin nichts bedeutet hätte. »Auf Wiedersehen, Mrs. Penrose.«
    Als er in das dunstige Sonnenlicht der Hastings Street trat, schien er am ganzen Körper taub zu sein, während ihm seine Gefühle so sehr zu schaffen machten, daß er sich weder der Passanten noch des Hufgeklappers, noch der Hitze oder der Leute bewußt war, die ihn im Vorbeigehen anstarrten.

3
    So tief bewegt Callandra Daviot von Monks Geschichte über Julia Penrose und ihre Schwester auch war, sie war machtlos dagegen, und sie war alles andere als eine Frau, die Zeit und Gefühle sinnlos vergeudete. Dazu gab es anderweitig zu viel zu tun, und an erster Stelle kam da ihre Arbeit im Hospital, von der sie gesprochen hatte, als Monk vor einigen Wochen bei ihr gewesen war.
    Sie saß im Verwaltungsrat, was im allgemeinen auf eine ziemlich passive Rolle hinauslief: Man gab Empfehlungen, die Ärzte und Kämmerer sich mehr oder weniger höflich anhörten, um sie dann zu ignorieren, und hielt den Schwestern Vorträge über Moral und Nüchternheit, eine Aufgabe, die sie nicht nur verabscheute, sondern auch sinnlos fand.
    Es gab so viel Wichtigeres zu tun, angefangen bei den von Florence Nightingale vorgeschlagenen Reformen, die Hester so inbrünstig herbeisehnte. Hier in England hielt man Licht und Luft in Krankenhäusern für unnötig, wenn nicht gar schlicht schädlich. Die Ärzteschaft war hoffnungslos konservativ; sie wachte eifersüchtig über Wissen und Privilegien und selbst die kleinste Neuerung war ihr ein Greuel. Für Frauen war – außer in den seltenen Fällen, in denen man sie in der Verwaltung fand, als Wirtschafterin etwa – in dieser Welt nur als Arbeitstiere Platz; oder sie kümmerten sich um karitative Aufgaben wie sie selbst und andere Damen der Gesellschaft, die am Rande die Finger im Spiel hatten, über die Moral der Leute wachten und ihre Verbindungen dazu benutzten, Spenden zu sammeln.
    Als sie zu Hause ihren Wagen bestieg, wies sie den Kutscher an, sie in die Gray’s Inn Road zu fahren, und das mit einer Dringlichkeit, die nur zum Teil mit ihren Reformplänen zu tun hatte. Sie hätte Monk nie die Wahrheit gesagt, gestand sie sich doch nicht einmal selbst ein, wie sehr sie sich auf ein Wiedersehen mit Dr. Kristian Beck freute; wann immer sie an das Krankenhaus dachte, hatte sie

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