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Im Schatten der Gerechtigkeit

Im Schatten der Gerechtigkeit

Titel: Im Schatten der Gerechtigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Wissen Sie, wer meine Schwester vergewaltigt hat?«
    »Ich fürchte, ja.« Er tat einen tiefen Atemzug. Er versuchte noch ein letztes Mal auszuweichen, obwohl er wußte, daß es vergeblich war. »Ich glaube nach wie vor, daß Sie die Angelegenheit nicht länger verfolgen sollten. Sie können keine Anklage erheben. Wenn Sie Ihre Schwester vielleicht in eine andere Gegend schicken könnten, wo sie ihm nicht mehr begegnen kann? Haben Sie nicht eine Verwandte, eine Tante vielleicht, bei der sie unterkommen könnte?«
    Ihre Augenbrauen hoben sich. »Wollen Sie damit andeuten, daß der Mann, der das getan hat, völlig ungestraft davonkommen soll, Mr. Monk? Ich bin mir darüber im klaren, daß das Gesetz ihn nicht bestrafen wird und ein Prozeß in jedem Fall für Marianne nicht weniger schmerzhaft wäre als für ihn!« Sie saß so verkrampft da, daß ihr jeder Muskel weh tun mußte vor Anspannung. »Aber ich werde nicht zulassen, daß er ungeschoren davonkommt! Anscheinend halten Sie es noch nicht einmal für ein Verbrechen. Ich muß gestehen, Sie enttäuschen mich. Ich hätte mehr von Ihnen erwartet.«
    Zorn wallte in ihm auf, und er hatte wirklich alle Mühe, ihn zu unterdrücken. »Es würden weniger Leute zu Schaden kommen!«
    Sie starrte ihn an. »Das ist bedauerlich, aber es läßt sich nun einmal nicht vermeiden. Wer war es? Bitte keine weiteren Ausflüchte mehr. Sie werden an meinem Entschluß nichts ändern.«
    »Es war Ihr Gatte, Mrs. Penrose.«
    Sie protestierte noch nicht einmal – weder entrüstet noch ungläubig. Sie saß völlig reglos da, das Gesicht aschfahl. Schließlich feuchtete sie sich die Lippen an und versuchte etwas zu sagen. Ihr Adamsapfel hob sich, aber es kam kein Ton. Sie versuchte es noch einmal. »Ich nehme an, Sie hätten mir das nicht gesagt, wenn… wenn Sie nicht absolut sicher wären?«
    »Selbstverständlich nicht.« Ihm war danach, sie zu trösten, aber sosehr er sich das auch wünschte, es gab keinen Trost.
    »Trotzdem wäre es mir lieber gewesen, ich hätte es Ihnen nicht sagen müssen. Ihre Schwester hat mich gebeten, es nicht zu tun, aber ich fühlte mich dazu verpflichtet, nicht zuletzt deshalb, weil Sie gar so entschlossen waren, die Angelegenheit weiterzuverfolgen – wenn nicht durch mich, dann eben durch einen anderen. Und außerdem weil die Gefahr besteht, daß es wieder passiert. Und schließlich wäre da noch die Möglichkeit, daß sie ein Kind bekommt…«
    »Hören Sie auf!« Es war ein wilder, schmerzlicher Schrei.
    »Hören Sie auf! Sie haben es mir gesagt. Das genügt.« Mit ungeheurem Kraftaufwand bekam sie sich in den Griff, obwohl ihre Hände unkontrollierbar zitterten.
    »Als ich sie damit konfrontierte, bestritt sie es zunächst, um Sie zu schützen.« Unbarmherzig fuhr er fort; die Sache mußte zu Ende gebracht werden. »Dann, als sie aufgrund ihrer eigenen Aussage und der Ihrer Nachbarn nicht mehr anders konnte, hat sie es eingestanden, mich jedoch angefleht, es Ihnen nicht zu sagen. Ich denke, der einzige Grund, weshalb sie den Zwischenfall überhaupt erwähnt hat, war der, ihren Zustand und die blauen Flecken zu erklären. Andernfalls, so glaube ich, hätte sie wohl weiterhin geschwiegen, um Ihretwillen.«
    »Arme Marianne!« Ihre Stimme bebte heftig. »Sie hätte das für mich ertragen. Was habe ich ihr nur angetan!«
    Er trat einen Schritt auf sie zu und stand, unentschlossen, ob er sich unaufgefordert setzen oder stehen bleiben sollte, vor ihr. Er entschied sich dafür, sich zu setzen.
    »Sie dürfen sich keine Schuld geben!« sagte er ernsthaft. »Sie tragen in dieser Sache von allen am wenigsten Schuld!«
    »Ganz und gar nicht, Mr. Monk.« Sie sah ihn nicht an, sondern in den grünen Schatten der Blätter vor dem Fenster. Ihre Stimme war jetzt voller Abscheu über sich selbst. »Audley ist ein Mann mit ganz natürlichen Erwartungen, und ich habe ihn all die Jahre, die wir verheiratet sind, abgewiesen.« Sie kauerte sich zusammen, als wäre es plötzlich unerträglich kalt im Raum; ihre Finger krallten sich schmerzhaft in ihre Arme, bis das Blut aus der Haut wich.
    Er wollte sie unterbrechen, ihr sagen, daß eine solche Erklärung privater Natur und völlig unnötig sei, aber er wußte, sie mußte es ihm sagen, um sich von einer Last zu befreien, die sie nicht länger ertragen konnte.
    »Ich hätte das nicht tun sollen, aber ich hatte solche Angst!« Sie zitterte leicht, als hätte sie einen Krampf. »Sehen Sie, meine Mutter hatte zwischen meiner und

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