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Im Schatten der Gerechtigkeit

Im Schatten der Gerechtigkeit

Titel: Im Schatten der Gerechtigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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die Leute aus dem Verwaltungsrat in Erfahrung bringen will, für den Fall, daß einer irgendeine Beziehung zu Prudence oder ihrer Familie hatte, von der wir nichts wissen. Oder vielleicht sogar irgendeine Verbindung aus dem Krimkrieg.«
    Evan brummte und ließ den Blick über den Schrank schweifen: Gläser voll getrockneter Kräuter und farbiger Kristalle, Flaschen mit Wein und medizinischem Alkohol.
    »Daran haben wir noch nicht mal gedacht.« Er zog ein Gesicht.
    »Aber auf so etwas käme Jeavis sowieso nicht. Er hat es eher mit dem Offensichtlichen und hat damit in der Regel auch recht. Runcorn würde es nicht gutheißen, die besseren Leute aufzustören, wenn es sich nur irgendwie vermeiden läßt. Ist Monk denn der Ansicht, es handelt sich um etwas Persönliches?«
    Sie lachte. »Das hat er mir nicht gesagt! Es könnte jeder gewesen sein. Sieht so aus, als wäre der Kaplan die ganze Nacht über hier gewesen – wie Dr. Beck…«
    Evans Kopf fuhr hoch. »Der Kaplan? Das wußte ich ja gar nicht! Das hat er gar nicht gesagt, als wir mit ihm gesprochen haben. Obwohl, um ehrlich zu sein, ich bin mir gar nicht sicher, ob Jeavis ihn danach gefragt hat. Ihn interessierte eher seine Meinung über Prudence und ob er wüßte, wie die anderen zu ihr standen.«
    »Und, wußte er was?« fragte sie.
    Er lächelte, seine Augen leuchteten belustigt. Er wußte, sie würde Monk jedes seiner Worte erzählen.
    »Jedenfalls nichts Vielversprechendes«, begann er. »Mrs. Flaherty mochte sie nicht, aber das überrascht ja nicht weiter. Die anderen Schwestern akzeptierten sie im großen und ganzen, aber sie hatte kaum etwas mit ihnen gemein. Eine oder zwei von den Jüngeren bewunderten sie – für die war sie eine Heldin, nehme ich an. Einem der Studenten schien es ebenso gegangen zu sein, aber sie hat ihn wohl kaum ermutigt.« Ein Schatten sarkastischen Mitgefühls legte sich über seine Miene, als könnte er sich das gut vorstellen. »Ein anderer Student, so ein großer Blonder, dem die Haare in die Stirn hängen, der mochte sie nicht. Er war der Ansicht, sie hätte zuviel Ehrgeiz für eine Frau.« Seine Augen begegneten Hesters. »Arroganter Bursche, wie mir schien«, fügte er hinzu. »Aber andererseits hat er auch für Polizisten nichts übrig. Wir stehen nur bei der richtigen Arbeit im Weg – und das ist natürlich die seine.«
    »Sie mochten ihn nicht«, sagte sie überflüssigerweise, während sie nach einem weiteren Haufen Bandagen griff. »Aber war er an jenem Morgen hier?«
    Er machte ein Gesicht. »Unglücklicherweise nicht. Und auch nicht der, der sie verehrt hat.«
    »Wer war denn hier, wissen Sie das?«
    »Etwa die Hälfte der Schwestern, der Kaplan, der Kämmerer, Dr. Beck, Sir Herbert, zwei Studenten – Howard und Cantrell –, Mrs. Flaherty und zwei Leute aus dem Verwaltungsrat, Sir Donald MacLean und eine Lady Ross Gilbert. Und die Pforte war offen, so daß jedermann unbemerkt hätte hereinkommen können. Nicht besonders hilfreich, was?«
    »Nicht besonders«, pflichtete sie ihm bei. »Aber andererseits war ich von Anfang an nicht der Meinung, daß uns die Frage nach der Gelegenheit in Sachen Beweislage groß weiterbringt.«
    Er lachte. »Sie hören sich so tüchtig an. Ganz wie es sich für Monks rechte Hand gehört.«
    Bevor sie etwas darauf erwidern konnte, tauchte Mrs. Flahertys aufrechte hagere Gestalt in der Tür auf. Ihr Gesicht war rosig vor Zorn, und ihre Augen blitzten.
    »Was denken Sie sich wohl, Schwester Latterly, hier herumzustehen und mit dem jungen Mann zu plaudern? Sie sind noch neu hier, und wenn Sie noch so viele hochgestellte Freunde haben, möchte ich Sie doch daran erinnern, daß wir großen Wert auf einen hohen moralischen Standard legen, und wenn Sie dem nicht entsprechen, dann müssen Sie gehen!«
    Einen Augenblick lang war Hester wütend. Dann jedoch sah sie die Absurdität des Vorwurfs, John Evan könnte eine Gefahr für ihre Moral darstellen.
    »Ich bin von der Polizei, Mrs. Flaherty«, sagte Evan kühl und richtete sich auf. »Ich habe Miss Latterly vernommen. Sie kann gar nicht anders, als meine Fragen zu beantworten, wie jeder andere hier, wenn sie nicht wegen Behinderung der Justiz belangt werden will!«
    Mrs. Flahertys Wangen liefen rot an. »Schnickschnack, junger Mann!« fauchte sie. »Schwester Latterly war noch nicht mal hier, als die arme Schwester Barrymore zu Tode kam! Wenn Sie das bisher noch nicht erfahren haben, dann sind Sie hoffnungslos inkompetent. Ich möchte wirklich

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