Im Schatten der Königin: Roman
auch so verhalten sollte. »Tom ist selbst nie erwachsen geworden«, sagte die Königinwitwe und lächelte nachsichtig. Sie erwartete ihr erstes Kind von ihm und war genauso blind wie ich. Bis zu dem Tag, an dem sie ihren Gatten mit meinem Mädchen im Arm ertappte, und was er tat, das hatte nichts mehr mit väterlicher Neckerei zu tun. Danach gab es für uns wirklich nur noch die Rückkehr nach Hatfield, aber leider war das nicht das Ende dieser Affäre, und dass alles nur noch schlimmer wurde, dazu trug ich meinen Teil bei.
Ich bin immer eine Frau gewesen, die sich bemüht, aus Scherben neue, gekittete Krüge zu machen, statt sie wegzuwerfen. Nicht endlos über etwas klagen, sondern versuchen, das Beste aus einer Lage machen, das ist mein Leitspruch. Als wir also ein paar Monate später vom Lord Admiral hörten, Catherine Parr sei im Kindbett gestorben, da sagte ich mir, dass es hier eine Gelegenheit gab, Schaden wiedergutzumachen.
»Ihr werdet sehen, mit dem nächsten Brief kommt ein Heiratsantrag, und den solltet Ihr annehmen«, sagte ich zu Elizabeth. »Und zwar sofort. Wenn es dann noch Gerede über den Lord Admiral und Euch gibt, nun, dann seid Ihr seine Frau vor Gott und der Welt, und alles wird sich im Sand verlaufen.«
»Heiraten?«, wiederholte sie und klang so entsetzt, dass mir wirklich hätte dämmern sollen, dass es immer noch Dinge gab, die ich nicht wusste. Stattdessen dachte ich, sie spiele nur den sturen Maulesel, wie sie es hin und wieder zu tun pflegte, immer schon.
»Nun, so, wie Ihr Euren Ruf mit ihm aufs Spiel gesetzt habt, habt Ihr ihn doch gern«, sagte ich ungeduldig und verstand nicht, warum sie sich jetzt auf einmal zierte. Das schlechte Gewissen, dachte ich, das muss es sein; sie hat die Königinwitwe gerngehabt, aber nun ist sie tot, und Elizabeth wird sie nie um Verzeihung bitten können.
»Ich habe ihn früher einmal gerngehabt«, sagte sie brüsk. »Aber heute würde ich ihn noch nicht einmal heiraten, wenn er der letzte Mann auf Erden wäre.«
Das schlechte Gewissen, dachte ich wieder, drang nicht weiter in sie, doch beharrte darauf, sie solle Thomas Seymour heiraten, vor allem, als tatsächlich ein Heiratsantrag kam, ein direkter Antrag diesmal, der nicht an den Regentschaftsrat gerichtet worden war. Zu dieser Zeit begann auch der Klatsch. Auf einmal fragten sich die Leute, warum Elizabeth zur Zeit des Todes ihrer Stiefmutter nicht mehr in deren Haushalt gelebt hatte, nachdem sie ihr doch vorher so nahegestanden hatte; hinzu kam, dass Thomas Seymour seine neuen Heiratsabsichten nun ganz offen deutlich machte. Ich glaubte wirklich, dass eine Heirat die bestmögliche Lösung wäre. Der alte König hatte Elizabeth zwar in seinem Testament wieder in die Thronfolge eingesetzt – nach ihren Geschwistern –, ohne sie jedoch wieder für ehelich zu erklären, und so war es fraglich, ob sie selbst unter guten Voraussetzungen eine günstige Partie machen konnte. Wenn ihr Ruf ruiniert war, dann ganz gewiss nicht, und der einmal ruinierte Ruf eines jungen Mädchens kann nie wiederhergestellt werden. Ich sah schon vor meinem geistigen Auge, dass der Regentschaftsrat sie mit einem alten mittellosen Baron verheiraten würde, der nie jemandem gefährlich sein konnte und zu dankbar war, selbst den Bastard eines Königs zu bekommen, um sie wegen eines zerstörten Rufes zurückzuweisen. Thomas Seymour dagegen mochte vielleicht doch nicht der fleischgewordene Gawein sein, für den wir alle geschwärmt hatten, aber ich war immer noch geneigt, sein Verhalten mit Elizabeth zu entschuldigen, Gott vergebe mir! Seine Gemahlin war schwanger gewesen, und weil sie nicht mehr die Jüngste und es ihr erstes Kind war, wussten wir alle, dass ihr Arzt eheliche Beziehungen untersagt hatte. Das Fleisch ist schwach, und wer weiß, dachte ich damals, vielleicht hat ihn wirklich die Liebe zu meinem Mädchen überwältigt. Außerdem war er als Lord Admiral und Onkel ihres Halbbruders, des kleinen Königs Edward, immer noch der zweitwichtigste Mann im Reich, gleich nach seinem Bruder, dem Lord Protector. Eine bessere Partie konnte sie nicht machen. Also bedrängte ich Elizabeth, seinen Heiratsantrag anzunehmen, und ermutigte alle anderen Mitglieder ihres kleinen Haushalts, sich ebenfalls für den Lord Admiral auszusprechen. Kein einziges Mal kamen mir die zwei offensichtlichsten Dinge in den Sinn: Zum einen, dass jede Eheschließung eines Mitglieds der königlichen Familie, die ohne Genehmigung des Königs
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