Im Schatten der Leidenschaft
hätte. »Ich lasse dich nicht aus den Augen.«
»Ich werde Crispin nicht heiraten«, sagte Chloe, die ihren
Mut wiedergefunden hatte. Aber sie zuckte zusammen, als Jasper durchs Zimmer auf sie zuging.
Er blieb vor ihr stehen, und sie versuchte, ruhig zu bleiben und ihn anzusehen. Doch sie konnte seinem Blick unmöglich standhalten, als er sie betrachtete. Ihre Knie zitterten, während sie auf den nächsten Schlag wartete. Jasper erkannte, was sie erwartete, und lachte.
»Du wirst tun, was ich sage«, meinte er fast beiläufig und wandte sich ab, als ein Diener mit dem Koffer hereinkam, der auf dem Dach der Kutsche festgebunden gewesen war, hinter ihm eine Magd mit dem heißen Wasser. Er winkte sie ungeduldig hinaus, als sie noch weitere Hilfe anboten. »Bringt nur den Burgunder.«
»Du wirst alles Notwendige hier drin finden«, erklärte er Chloe und deutete auf den Koffer. »Den Wandschirm kannst du benutzen, wenn du allein sein möchtest.«
Chloe fand Zahnpulver, Haarbürsten, sauberes Leinen und ein Nachthemd in dem Koffer. Der Diener brachte den Burgunder, während sie noch alles zusammensuchte, was sie brauchte. Sie stand unsicher da und sah ihrem Bruder zu, wie er Wein eingoß. Die Verbindungstür stand offen, und sie hörte Denis und Crispin im Zimmer nebenan.
»Wirst du hier im Zimmer bleiben?«
»Ich habe dir doch gesagt, daß du den Wandschirm benutzen kannst«, sagte Jasper und nippte von dem Wein. Sein Blick musterte sie, und er sagte mit einem kleinen Lächeln: »So lange du dich gut benimmst, garantiere ich dir diese Privatsphäre für den Rest der Reise. Aber stell meine Milde nicht zu sehr auf die Probe.«
»Kannst du wenigstens die Tür schließen?« Sie mußte ruhig bleiben, vernünftig klingen, sich von Jasper weder einschüchtern noch verärgern lassen.
Er schaute achtlos zur offenen Tür hinüber. »Wovor hast du Angst, kleine Schwester?«
»Ich habe keine Angst«, erklärte sie fest. »Aber ich bin es gewöhnt, meine Schlafzimmertür zuzumachen.«
»Nun, du wirst dich wohl an viele neue Dinge gewöhnen müssen.« Jasper zuckte mit den Schultern. »Wenn du dich nicht erfrischen willst, ich werde es auf jeden Fall tun.«
Doch sie konnte das dringende Bedürfnis nicht so lange unterdrücken, um sich weiter mit ihm auseinanderzusetzen. Chloe huschte hinter den Wandschirm. Dort gab es einen Waschtisch mit Nachtgeschirr, einen Ankleidetisch mit Spiegel, Becken und Wasserkrug. Sie sagte sich, daß das auch nicht öffentlicher war als in den Ruheräumen bei Almack’s, benutzte das Nachtgeschirr, badete ihr Gesicht in warmem Wasser, bürstete sich das Haar und glättete ihr Kleid. Die Abdrücke auf ihren Wangen waren verblaßt, aber an ihren Handgelenken, wo das Halstuch gerieben hatte, war ein breiter Striemen.
Sie konnte es sich nicht leisten, daß das noch einmal geschah. Jasper hatte deutlich gemacht, daß er ihr ohne Hemmungen weh tun würde, wenn sie ihm eine Gelegenheit dazu gab. Die beiden anderen handelten nach seinen Anordnungen, und sie hatte nicht das Gefühl, daß sie selbständig irgend etwas unternehmen würden, wenn sie auch schauderte bis auf die Knochen, wenn sie daran dachte, wie Crispins Hände sie in der Kutsche befühlt hatten. Jasper hatte das zugelassen. Es war klar, daß sie eine gewisse Menge an Demütigungen würde erdulden müssen, aber wenn sie so tat, als wenn nichts wäre, würde es ihr vielleicht gelingen, nicht zu reagieren ... hoffte sie.
Als sie hinter dem Wandschirm hervorkam, fragte sie neutral: »Bekomme ich auch ein Glas Wein?«
»Sicherlich.« Er goß es für sie ein. »Und jetzt nimm es mit ins andere Zimmer, damit Denis und Crispin dich im Auge haben, so lange ich mich frischmache.«
Sie zuckte scheinbar lässig mit den Schultern und schlenderte in das angrenzende Zimmer. »Verzeiht mir, wenn ich störe, Gentlemen, aber ich glaube, ihr sollt mich bewachen, so lange Jasper anderweitig beschäftigt ist.«
Crispin und Denis saßen am Feuer und tranken Wein. Ohne es recht zu merken, stand Denis auf, als sie hereinkam, als befänden sie sich immer noch in einem modernen Salon. Crispin kicherte, und Denis wurde rot und setzte sich wieder.
»Komm her«, befahl Crispin und schnippte mit den Fingern.
»Ich bin doch kein Hund«, sagte Chloe und beschloß, daß sie Crispin wahrscheinlich ohne Gefahr trotzen konnte ... zumindest im Augenblick.
»Dir verdanke ich eine ganze Menge«, sagte Crispin ruhig und hob die Hände an die Kehle in Erinnerung an
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