Im Schatten der Leidenschaft
gelegentlich einen Zug aus der Flasche nahm. Er spürte noch die Leere, aber es war jetzt eine tröstliche Leere. Keine Dämonen in der Nähe; er erinnerte sich nicht an die Vergangenheit, und die Zukunft war ihm völlig egal. Er existierte nur in der engen Umgebung der Gegenwart mit Betsys warmem, weichem Körper hinter sich, dem Pferd zwischen den Schenkeln und dem Brandy im Bauch. Hugo Lattimer war zufrieden.
Samuel hörte die Pferdehufe auf den Pflastersteinen unter seinem Fenster. Er hörte Hugos tiefes Lachen und ein weibliches Kichern. Mit einem ergebenen Seufzen rollte er sich zur Seite und wollte weiterschlafen. Wenigstens war Sir Hugo heil wieder zurück. Immerhin war es durchaus möglich, daß er irgendwann einmal einem Räuber oder Mörder zum Opfer fiel angesichts der
Gegend, in der er sich aufzuhalten pflegte. Doch bisher hatte er immer Glück gehabt. Wahrscheinlich lag das daran, daß er selbst volltrunken immer noch die beeindruckende Haltung eines Kapitäns Seiner Majestät hatte.
Hugo schaffte es, sein Pferd in den Stall zu stellen und abzusatteln, wenn auch etwas umständlich. Schließlich kehrte er zu Betsy zurück, die an der Tür stand und immer noch das unanständige Lied summte. Auf dem Rückweg entdeckte er ein ihm unbekanntes Tier in einer der Boxen und fragte sich, wie es wohl in seinen Stall gekommen sein mochte. Irgendwo schien auch noch der Schatten einer Antwort zu existieren, aber er kam nicht so recht daran. Außerdem war das völlig unwichtig; alles war im Augenblick völlig unwichtig. Er legte seinen Arm um Betsy, schob sie ins Haus und dann in die Bibliothek.
Chloe hatte von Hugos Ankunft nichts gehört, aber Dante, der am Fußende ihres Bettes lag, spitzte die Ohren, als der Hausherr die Tür öffnete. Er horchte einen Moment auf und legte seinen Kopf, zufrieden, daß nichts Außergewöhnliches geschah, mit einem schweren Seufzen wieder auf Chloes Füße.
Der Klang des Klaviers von unten durch das offene Fenster weckte Chloe. Sie horchte, während die Musik die Dunkelheit erfüllte. Es war ein fröhliches, lustiges Lied, ganz anders als das, was sie Hugo sonst hatte spielen hören. Zusammen mit der Erleichterung, daß er sicher zurückgekommen war, erfüllte sie auch die Hoffnung, daß er sich nach dem Verschwinden der Dämonen vielleicht wieder so verhalten würde wie vor seiner grausamen Zurückweisung.
Die Musik hörte nach einer Weile auf, und sie versuchte, wieder einzuschlafen. Doch da jetzt die Möglichkeit bestand, daß ihre Einsamkeit ein Ende nahm, kehrte auch ihre übliche Entschlossenheit zurück. Sie hatte noch einiges wieder in Ordnung zu bringen, bevor sie ihre Zukunft in Angriff nahm.
Noch bevor sie bemerkte, daß sie einen Entschluß gefaßt hatte, war sie aus dem Bett gestiegen. Dante sprang vom Bett und schüttelte sich auf dem Weg zur Tür.
»Nein, du bleibst hier«, sagte sie. »Ich bleibe nicht lange weg.« Sie huschte in den Flur hinaus und schloß die Tür leise hinter sich. Der Hund winselte.
Erst als sie die Treppe schon halb hinuntergegangen war, bemerkte Chloe, daß sie schon wieder nur ihr Nachthemd trug. Aber das würde ja niemand sehen, und sie wollte nicht nach draußen gehen. An der Tür zur Bibliothek blieb sie in einem Anflug von Unsicherheit stehen. Er hatte ihr befohlen, nicht zu ihm zu kommen, wenn er sie nicht gerufen hatte ... doch das war gewesen, als die Dämonen ihn noch im Griff hatten, als er noch ein anderer gewesen war. Der Mann, der eben das fröhliche Lied gespielt hatte, konnte unmöglich derselbe sein wie der, der sie so unfreundlich von sich gewiesen hatte.
Sie drückte die Klinke und öffnete die Tür. Ein silbriger Mondstrahl lag auf dem abgewetzten türkischen Teppich. Leise Geräusche erfüllten den Raum, verwirrende Geräusche, die in ihr eine Mischung aus Unbehagen und Neugier erweckten. Sie trat ins Zimmer.
Die verschlungenen Gestalten lagen im Mondlicht, flüsterten gedämpft miteinander und atmeten schwer. Chloe starrte sie schockiert an, sah volle, weiße Schenkel im Mondlicht leuchten und den langen, festen Körper von Hugo Lattimer umfassen. Sein kastanienbraunes Haar hing ihm in die Stirn, als er sich über seine Partnerin beugte und sich rhythmisch auf ihrem runden, empfänglichen Körper bewegte.
Mit einem leisen Laut des Genusses warf er den Kopf zurück, um das Haar aus dem Gesicht zu schütteln. Er öffnete die Augen.
Der Anblick des Mädchens, das mit offenem Mund schockiert an der Tür stand, traf
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