Im Schatten der Leidenschaft
Bibliothek. Hugo saß immer noch in dem Sessel, seine Hände um die Lehnen verkrampft, so daß seine Knöchel blutleer waren. Schweiß glänzte auf seiner Stirn.
»Bring mir Kaffee, Samuel.« »Gute Idee.« Samuel nahm den schweren Funkenschirm. »Die Miss wird in der Küche ein Bad nehmen.«
»Nun, dann paß gut auf Billy auf, damit er nicht den Spanner
spielt.«
Das war ein Versuch, locker zu sein, und Samuel lächelte und fragte: »Wollen Sie vielleicht etwas zu essen?«
Hugo schüttelte nur den Kopf.
Samuel kam mit einer Kanne Kaffee zurück und stellte sie neben Hugo. Er füllte einen Becher und hielt ihn ihm schweigend hin. Hugo nahm ihn vorsichtig entgegen, genoß die Wärme an den Händen und das starke Aroma. »Danke.«
»Sonst noch was?«
»Nein, laß mich nur allein.«
Die Tür schloß sich hinter Samuel, und Hugo trank einen Schluck Kaffee. Sein Magen wehrte sich, und eine Welle von Übelkeit brach über ihn herein. Er stellte den Becher weg und schloß die Augen. Er war seit vier Tagen sturzbetrunken gewesen und schon seit mehreren Jahren immer halb betrunken; es würde noch viel schlimmer werden, bevor es sich wieder besserte.
Während Chloe badete, erklärte sie Samuel versuchsweise ihren Plan mit Miss Anstey. Samuel saß hinter dem Schirm, schälte Kartoffeln und achtete darauf, daß niemand ungebeten hereinkam.
»Ich nehme an, daß Sir Hugo einverstanden sein wird«, schloß sie und goß sich einen Krug Wasser über die Haare. »Falls er je nüchtern genug wird, um mir zuzuhören.«
»Sie sollten nicht so reden«, schalt Samuel. »Sie mischen sich da in Sachen, die Sie nicht verstehen.«
»Du meinst die Dämonen?«
»Zum Beispiel.«
»Aber du hast doch gesagt, daß du sie auch nicht verstehst.«
»Nein, tue ich auch nicht. Also sage ich auch nichts weiter dazu.«
Chloe verstummte. Sie stand auf und griff nach dem Handtuch, das über dem Wandschirm hing. »Ich wünschte, ich würde es verstehen«, sagte sie schließlich und wand sich das Handtuch um das nasse Haar. »Dann wäre ich vielleicht nicht so verärgert.«
Sie zog sich einen Morgenmantel über und kam hinter dem Schirm hervor. »Ich könnte ihm ein Messer zwischen die Rippen stechen, Samuel!«
Samuel lächelte. »Das würde ich nicht empfehlen, Miss. Nicht bei Sir Hugo. Betrunken oder nüchtern - mit einem so kräftigen Mann sollte man sich lieber nicht einlassen.«
Chloe ging hinauf, um sich anzuziehen. Während sie eines ihrer neuen Kleider aussuchte, fragte sie sich plötzlich, ob Crispin sie wohl noch einmal besuchen würde. Überraschenderweise fand sie die Aussicht recht angenehm. Und nicht zuletzt deswegen, weil sie wußte, daß Hugo sich sicher darüber ärgern würde.
Ein Mann, der sich betrunken mit fetten Huren amüsierte, verdiente es, sich zu ärgern.
Sie war im Stallhof und untersuchte Rosinantes Wunden, als Crispin ankam, eine elegante Rotschimmelstute am Zügel mitführend.
»Was für ein ekelhaftes Vieh«, sagte er gedankenlos, als er den heruntergekommenen Klepper des Rübenverkäufers sah. »Den sollte man an die Krähen verfüttern.«
Chloe legte ein Stück Mull auf eine der immer noch nässenden Wunden an Rosinantes Flanken und sagte erst dann in einem verräterisch neutralen Ton: »Ach, meinst du wirklich?«
»Das weiß ich.« Crispin stieg vom Pferd. »Der ist ja nicht einmal eine Kugel wert. Warum verschwendest du deine Zeit und die guten Medikamente auf eine solche Witzfigur?«
Chloe drehte sich um und sah langsam an ihrem Besucher herunter. Der Ausdruck in ihren Augen ließ Crispin unfreiwillig einen Schritt rückwärts machen. »Du warst immer schon ein brutaler Kerl«, erklärte sie eisig. »Zu schade für eine Kugel, wie? Dieses bedauernswerte Geschöpf ist sein ganzes Leben lang gequält worden, und wenn es nicht noch mehr ertragen kann, dann soll man es an die Krähen verfüttern, wie? Bei dieser Haltung wird mir übel, Crispin.«
Crispin wurde dunkelrot bei dieser heftigen Äußerung, und nur weil er den sicheren Zorn seines Stiefvaters fürchtete und die achtzigtausend Pfund vor sich sah, belohnte er ihre Unhöflichkeit nicht mit seinem Handrücken.
»Das habe ich nur so gesagt«, meinte er schließlich. »Deswegen brauchst du doch nicht gleich auf die Palme zu gehen, Chloe. Und ich muß sagen -« er versuchte ein schwaches, wenig überzeugendes Lachen - ich muß sagen, daß es schon hart ist, mir vorzuwerfen, ich sei immer ein brutaler Kerl gewesen.«
Chloe arbeitete eine Minute
Weitere Kostenlose Bücher