Im Schatten der Leidenschaft
ganz so wie ein Vagabund aussehen ...
Hugo hatte nicht gerade glänzende Laune, als er hinunterging. Aber er hatte auch keine wirkliche Sorge, Chloe womöglich nicht wiederfinden zu können. Er machte sich über das Ergebnis einer Aktion niemals Sorgen, solange er mittendrin war.
Ob sie sie wohl nach Shipton gebracht hatten? Oder an einen entfernten Ort? Er würde trotzdem mit Shipton anfangen. Wenn Jasper nicht dort war, würde er es sicher schaffen, irgend jemanden ein paar Worte zu entlocken. Ein Messer und eine Pistole in den Händen eines Mannes, der nichts fürchtete, konnten viele Menschen überzeugen.
Er trat in den sonnigen Hof und zog seine Handschuhe an. »Wenn jemand sie auf deiner Seite der Straße gesehen hat, Samuel, dann bleib ihnen auf der Spur. Wenn nicht, folge mir, so schnell du kannst. Ich werde es genauso machen.« Er schwang sich auf sein Pferd.
»Alles in Ordnung.« Samuel stieg auf und folgte ihm die Auffahrt hinunter zur Straße, wo sich ihre Wege trennten.
Crispin eilte immer weiter über die trockene, staubige Straße nach Manchester. Sie näherten sich jetzt der Stadt, und die Postkutsche würde sie an der Kreuzung erwarten. Er sah sich unge-duldig um. Chloe hatte angefangen zu trödeln, betrachtete die Hecken, blieb stehen, um einem Habicht im Flug zuzusehen, und er wußte nicht, wie er sie zu mehr Tempo bewegen konnte. Wenn sie nur eine halbe Stunde Vorsprung hatten, mußte er sie ohne weitere Verzögerung in die Kutsche und durch die Stadt bringen.
Zornig zügelte er sein Pferd und wartete, bis Chloe ihn eingeholt hatte. »Du bist furchtbar langsam, Chloe.«
Sie sah ihn überrascht an. »Aber wir haben es doch nicht eilig. Wir haben den ganzen Vormittag Zeit ... Findest du nicht, daß erstaunlich viele Leute unterwegs sind?«
Sie hatte recht. Mit jeder Minute sahen sie mehr Menschen auf der Straße nach Manchester, in Wagen, zu Pferd und zu Fuß, manchmal ganze Familien, die über den grasbewachsenen Straßenrand wanderten, während die Kinder in alle Richtungen rannten. Die Stimmung war von freudiger Erregung geprägt, so als wären sie alle an diesem einfachen Montagmorgen auf dem Weg zu einem Fest.
Wenn Chloe sich weigerte, in die Kutsche zu steigen, würde das bei so viel Publikum eine ganz schöne Szene machen. Nichts klappte, und Crispin wünschte, sein Stiefvater hätte nicht die Verantwortung für die ganze Unternehmung auf seine Schultern geladen. Er schien zusehends die Kontrolle zu verlieren, und er wußte nicht, wie er seinen Plan den veränderten Umständen anpassen sollte.
»Nun komm schon«, sagte er und sah sich ungeduldig um.
»Ich habe Hunger«, stellte Chloe fest. »Ich habe zum Frühstück nur einen Apfel gegessen. Warum suchen wir uns nicht einen schönen Platz neben der Straße und essen etwas von unserem Picknick? Du hast doch gesagt, daß wir Picknick machen, oder?«
»Ja, aber nicht hier.«
»Also, was hast du in deinem Korb? Irgend etwas muß doch darin sein, daß ich unterwegs essen kann.«
Crispin erinnerte sich plötzlich an seine Begleiterin als ein penetrantes, kleines Mädchen von sieben Jahren, das wissen wollte, was ein Wort bedeutete, das sie auf dem Hof vor dem Stall in Gresham Hall gehört hatte. Er hatte es selbst nicht gekannt, ab-gesehen davon, daß es absolut unanständig war, aber nachdem er behauptet hatte, er kenne es, waren ihm die Ideen ausgegangen, wie er weitermachen sollte. Chloe hatte beständig weitergefragt, obwohl sie ahnte, daß er es nicht wußte, und ihn so lange weitergenervt, bis er ihr eine Ohrfeige gegeben hatte. Auch jetzt wuchs sein Bedürfnis, es genauso zu machen.
»Warte noch ein paar Minuten«, sagte er angespannt. Die Kreuzung war hinter der nächsten Kurve, und er sah voller Sorge nach vorn, so als könne er sie damit früher herbeizaubern.
Chloe runzelte die Stirn und war verärgert und verwirrt zugleich. Der aufmerksame, großzügige Crispin der letzten Tage schien verschwunden zu sein. Ihr jetziger Begleiter glich mehr dem selbstsüchtigen Jungen, an den sie sich aus ihrer Kindheit erinnerte.
Sie folgten einer Kurve in der Straße, und Chloe sah, wie Crispin sich im Sattel aufrichtete. Neugierig blickte sie ihn an. Er wirkte nervös und angespannt. Er drängte sein Pferd näher an das ihre, bis sie sich beinah berührten. Die Stute, der das unangenehm war, wieherte und versuchte, zur Seite auszuweichen. Crispin beugte sich vor und griff Chloe in den Zügel.
»Keine Sorge«, sagte sie. »Ich komme
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