Im Schatten der Leidenschaft
Spielbrett aufs Bett. »Ich bin sicher, daß du gern Gesellschaft hättest. Soll ich die Steine schon aufbauen?«
»Wie kommt es nur, daß du immer so sicher bist, zu wissen, was ich will?« fragte Hugo. »Aus irgendeinem Grund stehst du immer plötzlich neben mir und teilst mir mit, daß ich bestimmt einsam bin und deine Gesellschaft brauche.«
»Na ja, das ist doch auch wahr«, sagte Chloe mit dem vertrauten sturen Zug um ihren hübschen Mund. »Ich weiß es eben.« Sie hockte sich aufs Bett und begann, die Spielsteine aufzustellen.
Hugo wußte, daß ihn eine Stunde Ablenkung retten würde. Er hatte keine Ahnung, wie Chloe das wissen konnte, aber sie wußte es. Er kam zum Bett herüber, setzte sich ihr gegenüber auf die Kante und sagte mit einem nachgiebigen Seufzer: »Das ist verrückt.«
An der Tür ertönte ein Kratzen, und Dante winselte.
»Oje.« Chloe sprang auf. »Ich habe ihn ausgesperrt. Du hast doch nichts dagegen, wenn er hereinkommt, oder?«
Hugo schüttelte den Kopf als Geste der Ergebenheit an eine unüberwindliche Macht.
Chloe trug schon wieder keinen Morgenrock, und ihre schlanke Gestalt bewegte sich frei unter dem dünnen Stoff ihres Nachthemdes, als sie die Tür öffnete.
Das war ein Bereich, in dem er etwas unternehmen konnte. Hugo ging zu seinem Kleiderschrank und zog einen braunen Samtumhang heraus. »Komm her.« Er nahm ihre Arme, schob sie energisch in die langen Ärmel, drehte Chloe um, wickelte die ganze Weite der Seitenteile um ihren Körper und zog mit einem kräftigen Ruck das Band um ihre Taille fest. »Wie oft noch, Chloe ...« fragte er entnervt.
»Es ist nicht kalt, deswegen denke ich nicht darüber nach«, sagte sie.
»Also, dann schlage ich vor, daß du von jetzt ab anfängst, darüber nachzudenken, bevor du mitten in der Nacht so herumläufst.« Er wandte sich wieder dem Spielbrett auf dem Bett zu.
Chloe setzte sich ebenfalls im Schneidersitz vor ihre Seite des Spielbrettes und ordnete den weiten braunen Stoff um sich her. »Warum stört es dich so sehr?«
Hugo sah sie scharf an und erkannte die Verlockung in ihrem Blick. Seine Welt drohte wieder zu kippen, als sich dem Verlangen nach Brandy noch ein weiteres Verlangen mit sehr viel größerem Potential für Ärger hinzugesellte. Doch er versuchte sich seinen Hunger nicht anmerken zu lassen, um sie in ihrer Aufforderung nicht noch zu bestärken.
»Gib dich doch nicht so naiv, Mädel«, sagte er milde und ließ die Würfel rollen. »Es stört mich eigentlich gar nicht so sehr. Aber du weißt ganz genau, daß es sich für ein junges Mädchen einfach nicht gehört, halb angezogen herumzulaufen.« Er bewegte einen Spielstein.
Sie ließ sich nicht täuschen und warf ihrerseits die Würfel. Ein fragendes Miau kam plötzlich von der Tür, die sie nur angelehnt gelassen hatte. Beatrice stand in der Tür mit einem kleinen Fellbündel, das sie im Nacken fest zwischen den Zähnen hielt.
»Oh, sie macht mit den Kätzchen ihren ersten Ausflug«, sagte
Chloe und streckte der näherkommenden Katze einladend die Hand entgegen. Beatrice sprang aufs Bett, legte das Kätzchen in Chloes Schoß und ging wieder hinaus. Sie kam und ging noch fünfmal, während Hugo in ungläubigem Erstaunen zusah. Als alle sechs Kätzchen in Chloes Samtschoß lagen, rollte sich Beatrice auf der Tagesdecke zusammen und betrachtete das Spielbrett, ohne zu blinzeln.
»Es fehlen nur Falstaff und Rosinante«, bemerkte Hugo. »Ach, und Plato habe ich vergessen. Vielleicht solltest du sie auch noch holen.«
»Du machst Witze«, sagte Chloe. »Und du bist dran.«
»Witze? Warum sollte ich Witze machen?« Er rollte die Würfel. »Ich habe eine tiefsitzende Abneigung gegen Haustiere, und doch sitze ich hier um halb vier Uhr morgens und spiele Backgammon in einem Tierhaus, das einmal mein Schlafzimmer war.«
»Wie ist es möglich, daß du sie nicht magst?« Chloe streichelte eines der Fellbündel mit der Spitze ihres Zeigefingers. Das Kätzchen blinzelte mit seinen erst seit kurzem geöffneten Augen Hugo an.
»Verzeih die indiskrete Frage, aber sind sie stubenrein? Ich will in dem Bett noch schlafen.«
»Beatrice macht immer unter ihnen sauber«, teilte ihm Chloe ernsthaft mit.
»Oh, das ist ja wirklich beruhigend.« Irgendwo aus der Tiefe seiner Brust erhob sich ein Lachen, und er bemerkte plötzlich, daß sein drängendes Verlangen nach Brandy verschwunden war. Seine Hände waren ruhig, sein Magen friedlich.
Chloe, die sich ganz auf das Spielbrett
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