Im Schatten der Leidenschaft
sehr viel beigebracht. Sie hat es schon schwer genug gehabt, als sie die Vorhänge in ihrem Zimmer gewaschen hat... und soweit ich mich erinnere, konnte sie das eine Ende des Bügeleisens nicht vom anderen unterscheiden.«
»Nein, ich schätze, man hielt es nicht für nötig, daß eine Erbin von achtzigtausend Pfund derartige Hausarbeiten lernen müßte«, sagte Hugo. »Aber andererseits kann man sich auch kaum vorstellen, daß eine solche Erbin in einer derart spartanischen Umgebung lebt.«
»Sie kann doch ganz zufrieden sein«, sagte Samuel kurzangebunden.
»Redet ihr von mir?« ertönte Chloes klare Stimme von der Tür her, und die beiden Männer drehten sich zu ihr um.
»Ja, genau«, sagte Hugo ruhig. »Samuel hat sich angeboten, dein Kleid zu waschen.«
»Oh nein, das kann ich nicht annehmen.« Sie ging durch die Küche.
Ihr Gang ist schon beinah ein Tänzeln, dachte Hugo, während er zusah, wie sie sich vorbeugte und Samuel auf die Wange küßte. Und was für eine erstaunliche Fähigkeit zu Liebe und Freundschaft sie doch hatte, eine Fähigkeit, die bisher nie jemand zu schätzen gewußt hatte, bis auf die einsamen, verletzten und ungeliebten Angehörigen des Tierreiches.
»Unsinn«, sagte Samuel, und seine rötliche Wange glühte. »Bring es mir nur herunter, und dann ab mit dir. Ich habe auch ohne das ganze Hin und Her schon genug zu tun, also keine Widerrede.«
»Tu, was er sagt, Mädel«, sagte Hugo. »Und dann wollen wir aufbrechen.«
»Lila Schuhe mit goldenen Rosetten und acht Zentimeter hohen Absätzen, Samuel!« Hugo warf sich in einen Stuhl am Küchentisch. »Und die Hüte ... du glaubst nicht, bei wie vielen Putzmacherinnen wir gewesen sind, bis wir einen Hut gefunden haben, der dem Mädel gefiel und den ich ertragen konnte.«
Er schüttelte den Kopf und massierte sich die Schläfen. »Da gab es eine Art Wagenrad mit Tüll... so was hast du noch nie gesehen ... aber der Tschako ... Mein Gott, dabei dachte ich, wir würden womöglich in einer Schlägerei enden. Kannst du dir vorstellen, wie ein so zartes Wesen aussehen würde in lila Schuhen und einem dreißig Zentimeter hohen Tschako mit einer riesigen, scharlachroten Feder?«
»Die Schuhe waren sehr hübsch«, sagte Chloe indigniert. »Hör’ ihm gar nicht zu, Samuel. Es waren die schönsten Schuhe, die ich je gesehen habe, und Hugo ist der steifste, prüdeste ... altmodischste Kerl, den ich kenne.«
Auf der Tischkante hockend streckte sie einen kleinen Fuß aus und betrachtete mit einer Miene voller Abscheu den bronzebraunen Wildlederschuh, der ihn umhüllte. »Sieh dir den hier an, der ist doch einfach langweilig.«
»Er ist geschmackvoll«, sagte Hugo. »Und elegant.«
»Er ist langweilig, findest du nicht, Samuel?«
»Haltet mich da ‘raus«, sagte Samuel und rührte in einem Topf am Feuer. »Von solchen Sachen hab’ ich keine Ahnung.«
»Und der Hut gefällt mir lange nicht so gut wie der, den ich verloren habe.« Chloe funkelte ihren Vormund an. Aus ihrer Perspektive war das kein besonders erfolgreicher Einkaufstag gewesen, und Hugo hatte sich überhaupt nicht so verhalten, als hätte sich ihre Beziehung nach den Ereignissen des gestrigen Morgens dramatisch verändert.
»Nun, dann hättest du den anderen eben nicht verlieren dürfen, Mädel«, sagte er, ohne sich provozieren zu lassen. »Soweit ich mich erinnere, hat dich niemand gezwungen, dich mitten in eine wilde Menge zu stürzen.«
»O doch! Nämlich Jasper und Crispin.«
»Und wer hat sich in diese unangenehme Situation bringen lassen?« Er hob die Augenbrauen, und sein Lächeln hatte einen spöttischen Zug.
»Oh, du gehst mir manchmal so auf die Nerven!« Chloe sprang vom Tisch. »Ich gehe jetzt und fütterte Plato.«
»He, nicht in diesen Schuhen«, protestierte Hugo, als sie auf die Küchentür zuging. »In Wildlederschuhen gräbt man keine Würmer aus. Sie haben ein kleines Vermögen gekostet.«
»Je eher sie kaputt sind, desto eher kann ich mir ein Paar neue kaufen.«
Der dumme Wortwechsel verstummte plötzlich, und Chloe biß sich auf die Lippen und errötete, als sie begriff, wie launisch sie sich benahm. Mit leiser Stimme sagte sie: »Ich ziehe meine klobigen Stiefel an.«
Als sie auf dem Weg zur Tür an Hugo vorüberkam, streckte er die Hände aus und griff sie um die Hüften, um sie an sich zu ziehen. »Sei nicht eingeschnappt, Mädel. Ich weiß es wirklich besser als du.« Er lächelte zu ihr auf, wobei das Vergnügen kleine Fältchen in seinen
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