Im Schatten der Leidenschaft
Box hinauf und ließ sich auf den Rücken des Wallachs fallen. Irgendwie schaffte sie es, einen Fuß über seinen Rücken zu legen und fest mit beiden Fersen in seine Flanken zu treten, womit sie ihn aus der Box trieb. Der Wallach setzte mit einem plötzlichen Sprung hinaus aus der Box, aus dem Stall und in den Hof.
Hugo sah sich wild im Hof um, wo die freigelassenen Pferde stampften und wieherten. Es war eine helle Nacht, der Mond hing fast voll und rund am Himmel. Jetzt war mit weißem Gesicht auch Billy erschienen, sein gewöhnlich leerer Ausdruck war erfüllt von Schrecken. Aber Chloe war nirgendwo zu sehen.
»Chloe!« brüllte Hugo in verzweifelter Angst gerade in dem Augenblick, als der Braune mit wild rollenden Augen und hochgezogenen Lippen aus dem brennenden Gebäude galoppiert kam.
»Verdammt noch mal!« schrie Hugo, und seine Angst verwandelte sich in Zorn. Er packte Chloe um die Taille und riß sie von dem Pferd, hielt sie mitten in der Luft. Ihre Augenbrauen und die feinen Haarsträhnchen auf ihrer Stirn waren versengt, und Tränen des Schmerzes und der Verzweiflung liefen über ihre rauchgeschwärzten Wangen.
»Wie kann man nur etwa so Verrücktes, Unvorsichtiges tun!« fuhr er sie zornig an. »Ich hatte dir doch gesagt, du sollst hierbleiben.« Er schüttelte sie, außer sich vor Wut, die von seiner Angst genährt wurde.
»Ich mußte Petrarka aber doch retten«, rief sie ebenso leidenschaftlich wie er. »Petrarka war doch noch da drin! Ich konnte ihn doch nicht dort lassen.«
»Petrarka ?« Einen Augenblick lang war er verwirrt, dann verstand er. Der verfluchte Braune war endlich getauft worden. »Ich war gerade auf dem Weg, ihn herauszuholen«, erklärte er und stellte sie mit einem kräftigen Ruck auf die Füße.
»Aber er hätte es nicht mehr so lange ausgehalten!« rief sie und wischte sich mit dem Handrücken die Tränen vom Gesicht, so daß es jetzt schwarz verschmiert war. »Ich konnte doch nicht warten ... Und Rosinante ... sie ist immer noch drinnen.« Sie bückte sich plötzlich unter seinem Arm hindurch und rannte zum Stall, ohne sich um das zu kümmern, was er gerade gesagt hatte.
»Chloe! Komm sofort zurück!« Hugo machte einen Satz und packte ihren Arm, riß sie weg von dem brennenden Gebäude. »Hast du kein Wort von dem gehört, was ich gesagt habe?« Er hätte sie fast rückwärts in Samuels Arme geworfen. »Laß sie bloß nicht los!« Dann verschwand er noch einmal in dem rauchgefüllten Stall, stolperte den Gang hinunter, duckte sich ganz tief nach unten. Als er schließlich die letzte Box erreicht hatte, waren seine Lungen kurz vor dem Platzen, und er war blind von Rauch. Die Hitze war so intensiv, daß er spürte, wie seine Kleider drohten, sich zu entzünden und seine Haut zu verbrennen.
Irgendwie griff er nach der Mähne des schwachen Kleppers. Das Haar des Tieres war brennend heiß, und er roch, daß es schon versengt war. Er zerrte es mit sich zurück aus dem Gebäude und war dankbar, daß die Jahre der Entbehrung das Pferd auf ein Gewicht reduziert hatten, das er beherrschen konnte.
Er stolperte gerade in dem Augenblick in den Hof hinaus, als seine Lungen dem Rauch nachzugeben drohten. Rosinante knickte in den Vorderbeinen zusammen und fiel auf das Kopfsteinpflaster, wo sie auf der Seite liegenblieb, mit schwer pumpenden Flanken, Schaum vor dem Mund und wild rollenden Augen.
Chloe ließ sich neben den Klepper fallen, immer noch rannen Tränen über ihre Wangen. Sie legte eine Hand auf die gequälte Flanke des Tieres und sah dann zu Hugo auf. »Mach ihrem Elend ein Ende. Sie kann nicht mehr atmen. Von diesen Verletzungen wird sie sich nie mehr erholen.«
»Ich hole Ihre Pistole«, sagte Samuel.
Er war nach wenigen Minuten wieder zurück und gab Hugo schweigend die Pistole. Chloe hockte immer noch neben Rosinante und murmelte ihr etwas ins Ohr, als könne sie das Tier durch seine Qual doch noch irgendwie erreichen.
»Geh ins Haus, Chloe«, befahl Hugo hart, bückte sich und hob sie hoch. »Sofort!«
»Es ist schon gut, ich brauche nicht -«
»Geh! Und zieh den Küchenmantel an, wenn du schon dabei bist.« Er kniete sich hin, um dem Tier die Pistole an den Kopf zu setzen. Der Schuß hallte, Rosinante zuckte noch einmal heftig zusammen und hatte es überstanden.
»Ich bringe Jasper um.«
Die leise Bitterkeit in dieser Bemerkung brachte Hugo mit einem Satz auf die Beine. Chloe stand an der Seite, außerhalb seines Gesichtsfeldes, während er das Pferd erschossen
Weitere Kostenlose Bücher