Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
gelten.«
»Es überzeugt mich nicht, wie Sie hier den Zyniker spielen.«
»Ich will Ihnen eine Frage stellen, General. Die Frauen, die ihre Kleider und Unterröcke für Ihren Ballon gespendet haben ... wenn die fetzt vergewaltigt, sexuell erniedrigt und systematisch geprügelt worden wären, und die Männer, die das getan haben, fielen in Ihre Hände, was würden Sie dann tun?«
»Der von mir eingesetzte Feldrichter würde sie festnehmen, vor ein Standgericht stellen und hängen lassen.«
»Heute wäre das nicht mehr der Fall.«
Sein langes, schmales Gesicht war perplex.
»Warum nicht?«
fragte er.
»Ich weiß nicht. Vielleicht verspüren wir als Gesellschaft eine solche Kollektivschuld, daß wir Angst davor haben, einzelne Mitglieder dieser Gesellschaft zu bestrafen.«
Er schob sich den Hut in den Nacken, schlug das gute Bein über das Knie aus Kork und befeuchtete das Ende eines Zigarrenstummels. Mehrere seiner Soldaten knieten an meinem Bach und füllten die Wasserflaschen. Ihre Gesichter waren staubig, die Lippen schwarz vom Schießpulver, weil sie die ganze Zeit das Patronenpapier durchbeißen mußten. Der zusammengeflickte Seidenballon zitterte im Wind, das nahende Gewitter warf ein silbriges Licht auf seine glänzende Oberfläche.
»Es liegt mir fern, mich als Ihr Gewissen aufzuspielen«
, sagte der General.
»Aber als Ihr Freund, der nicht wünscht, daß Sie durch eigenes Verschulden zu Schaden kommen, rate ich Ihnen, noch einmal gründlich darüber nachzudenken, ob Sie die Waffe Ihres toten Freundes tatsächlich behalten wollen.«
»Das habe ich bereits getan.«
»Ich finde, daß Sie da einen schweren Fehler begehen, Sir. Und Sie enttäuschen mich.«
Er winkte mit der Hand ungeduldig seinen Adjutanten, und sie halfen ihm auf.
»Wenn das so ist, tut es mir leid«
, sagte ich.
Aber der General war kein Mann, mit dem man lange diskutierte. Er humpelte auf Krücke und Korkbein zum Ballonkorb, die Zigarre steil nach oben zwischen den Zähnen, und dabei blickte er immer wieder hoch zu den windgepeitschten Wolken und den Blitzen, die draußen über dem Golf wie weißglühende Drähte am Himmel zuckten.
Das Unwetter brach los, und es ließ Staubwolken aus dem Zuckerrohrfeld meines Nachbarn aufsteigen, just als der Ballon des Generals ihn und seine Adjutanten wieder in die Luft trug. Der Telegrafendraht baumelte wie eine Nabelschnur von dem Strohkorb.
Als ich aus meinem Traum erwachte, war der graue Himmel über mir voll mit einem Dutzend seidener Heißluftballons, die die grellen Farben von Zirkuswagen hatten. Ihre fahlen Schatten zogen über Scheunendächer, unbefestigte Straßen, Bretterhäuser, Kramläden, dicht beieinander stehende Kühe, sich windende Bayous, bis die Ballons selbst nur noch weit entfernte Flecken am sommerlich grünen Horizont jenseits von Lafayette waren.
17
Montag morgen ging ich auf Lou Girards Beerdigung in Lafayette. Es war ein brütend heißer, grüngoldener Tag. Eine regelrechte Hitzewelle schien von dem schwammigen Gras auf dem Friedhof aufzusteigen und an Intensität immer noch zuzunehmen, als die weiße Sonne immer höher am Himmelsdach kletterte. Während der Zeremonie am Grab war jemand mit einem PS-starken Rasenmäher hinter der Ziegelmauer zugange, die den Friedhof unterteilte. Der Mäher hustete und hatte Fehlzündungen, deren Echo an den Ziegeln wie Schüsse aus einem kleinkalibrigen Revolver klang. Den Cops, die ihm in voller Uniform die letzte Ehre erwiesen, tränten die Augen von der Hitze und den Insektenvernichtungsmitteln. Als der Polizeichef und ein Captain die Flagge von Lous Sarg herunternahmen und zu einem militärischen Quadrat zusammenfalteten, war da kein Familienmitglied, um sie entgegenzunehmen. Der Sarg blieb geschlossen. Bevor sie ihn in die Erde ließen, nahm der Kaplan des Departments das gerahmte Bild herunter, das Lou in Uniform zeigte, und stellte es auf einen Klapptisch unter dem Gerüst, an dem die ganzen Kränze befestigt waren. Unabsichtlich stieß er mit dem Handrücken dagegen, so daß es mit der Bildseite nach unten auf die Leinentischdecke fiel.
Bevor ich mich ins Department aufmachte, fuhr ich zum Mittagessen nach Hause. Unter dem Deckenventilator in der Küche war es kühl, und die Körbchen mit Springkraut, die mit Haken am Dachvorsprung der hinteren Veranda aufgehängt waren, bewegten sich im Luftzug. Bootsie stellte mir ein Glas Eistee mit Minzblättern und einen Teller mit Schinken- und Zwiebelsandwiches und Eiersalat
Weitere Kostenlose Bücher