Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
ich diesmal mit dem Schnellauf vorspulte, um die Gewaltszenen zu isolieren und das Ganze so schnell wie möglich hinter mich zu bringen.
Als der Bildschirm dunkel wurde, zog ich die Jalousie wieder hoch. Sonnenlicht erfüllte den Raum. Rosie saß aufrecht und bewegungslos da, die Hände im Schoß. Ihre Nase wurde schmal, wenn sie einatmete. Dann stand sie auf und blickte einen Augenblick aus dem Fenster.
»Wie diese Mädchen geschlagen wurden... so was hab ich in meinem Leben noch nicht gesehen«, sagte sie.
Ich hörte sie tief Luft holen und mit einem Seufzer wieder ausstoßen, dann drehte sie sich wieder zu mir.
»Das war nicht gespielt, stimmt’s?« sagte sie.
»Ich glaube nicht. Für so eine billige Produktion war das viel zu überzeugend.«
»Dave, wir müssen diese Kerle kriegen.«
»Das werden wir auch, so oder so.«
Sie nahm ein Papiertaschentuch aus der Handtasche und schneuzte sich. Sie blinzelte, und ihre Augen glänzten feucht.
»Sie müssen mich entschuldigen. Heuschnupfen. Ich weiß gar nicht, was heute in der Luft ist«, sagte sie.
»Ist das Wetter dafür.«
Dann mußte sie sich noch einmal abwenden und zum Fenster hinausstarren. Als sie sich mir diesmal zuwandte, war der Ausdruck in ihren Augen wieder neutral.
»Wieviel Profit macht er mit einem solchen Film?« fragte sie.
»Ich habe gehört, es kostet an die fünftausend Dollar, einen normalen Porno zu drehen, und einbringen tut er eine sechsstellige Summe. Ich weiß nicht, wie das bei einem Film wie dem hier ist.«
»Ich würde gerne Cholo Manelli als wichtigen Zeugen verhaften lassen.«
»Selbst wenn wir das tun könnten, Rosie, es wäre die reinste Zeitvergeudung. Cholo hat nicht mehr Grips als eine Zuckermelone, aber der fällt nicht um, und auf einen Handel läßt er sich schon gar nicht ein.«
»Wie Sie das sagen, klingt da fast schon Bewunderung durch.«
»Es gibt wahrlich Schlimmere.«
»Also, manchmal fällt es mir wirklich schwer nachzuvollziehen, wo Ihre Sympathien liegen, Dave.«
»Passen Sie auf, der Film ist irgendwo in New Orleans oder der näheren Umgebung gedreht worden. Was man da im Hintergrund sah, das waren die Industriedocks in Algiers. Ich würde gerne eine Kopie ziehen und die an die Sitte im NOPD schicken. Vielleicht können die einige der Darsteller identifizieren. So was ist eh mehr deren Terrain.«
»Okay, machen wir auch eine Kopie für die FBI-Zentrale. Vielleicht bringt Balboni das Zeug über die Staatsgrenze.« Dann griff sie nach ihrer Handtasche, und ich sah, wie ihr Gesicht sich wieder verdüsterte.
»Gehen wir. Ich lad Sie auf einen Drink ein«, sagte ich.
»Was für ein Drink?«
»Was Sie mögen.«
»Ich bin schon okay, Dave. Kein Grund, eine Bar aufzusuchen.«
»Das liegt bei Ihnen. Wie wär’s mit einem Dr. Pepper gleich da drüben auf der anderen Straßenseite oder einem Pfefferminz-Snowball im Park?«
»Das klingt gut.«
Wir fuhren in meinem Pickup zum Park. Allmählich füllte sich der Himmel mit nachmittäglichen Regenwolken, die so strahlend weiß waren wie Wasserdampf. Sie gab sich alle Mühe so zu tun, als höre sie mir zu, aber ihr Blick schien unverrückbar an einem weit entfernten Fleck jenseits des Horizonts zu kleben, als ob sie durch ein umgekehrtes Teleskop in ihr Innerstes blickte, wo sie eine traumatische Gewalttat aus grauer Vorzeit sah, die immer im falschen Moment wieder zum Leben erweckt wurde.
Mehrere Male an diesem Tag hatte ich versucht, Hogmans eigenartigen Andeutungen nachzugehen, welche Art von Arbeit DeWitt Prejean verrichtet hatte, der schwarze Mann in Ketten, der vor meinen Augen 1957 in der Atchafalaya-Marsch niedergeschossen worden war. Aber weder der Polizeichef von Opelousas noch der Sheriff vom St. Landry Parish wußten etwas, das mir in dieser Hinsicht weiterhelfen konnte, und als ich endlich den alten Gefängnisvorsteher bei sich zu Hause erreichte, legte der sofort wieder auf, als er meine Stimme erkannte.
Am späten Nachmittag mußte ich der Schlaflosigkeit der vorangegangenen Nacht Tribut zollen, und ich legte mich in die Hängematte, die ich zwischen zwei schattigen Bäumen bei dem kleinen Bächlein im Garten hinter dem Haus aufgehängt hatte. Ich schloß die Augen und versuchte dem Wasser zu lauschen, das über die Steine dahinplätscherte, und ich bemühte mich krampfhaft, die Bilder aus Lous Wohnung zu verdrängen, die sich hinter meinen Augenlidern festgesetzt zu haben schienen wie rote Farbspritzer von einem Pinsel. Ich konnte die
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