Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
hin.
»Wo ist Alafair?« sagte ich.
»Elrod hat sie und Tripod mit nach Spanish Lake genommen«, sagte sie von der Spüle.
»Zum Filmset?«
»Ja, ich denke doch.«
Als ich darauf schwieg, drehte sie sich um und sah mich an.
»Hab ich was falsch gemacht?« fragte sie.
»Julie Balboni hält sich dort auf, Boots.«
»Er wohnt jetzt hier, Dave. Er hält sich überall hier im Ort auf. Ich finde nicht, daß wir von einem solchen Mann abhängig machen sollten, wo wir hingehen oder nicht hingehen.«
»Ich will nicht, daß Alafair in seine Nähe kommt.«
»Es tut mir leid. Ich habe nicht gewußt, daß du was dagegen haben würdest.«
»Boots, da ist was, das du noch nicht weißt. Am Samstag hat ein Gangster namens Cholo Manelli mir ein Pornovideo gegeben, das offenbar von Balboni und seinen Leuten gemacht wurde. Es ist so finster, wie man sich’s nur vorstellen kann. Es enthält eine Szene, wo es so aussieht, als ob tatsächlich eine Frau totgeprügelt wird.«
Sie blinzelte mehrmals und sagte dann: »Ich fahr raus zum Spanish Lake und hol sie. Warum ißt du nicht in Ruhe fertig?«
»Mach dir mal keine Gedanken. Ist ja nichts passiert. Ich hole sie ab, bevor ich ins Büro fahre.«
»Kann denn niemand etwas gegen diesen Kerl unternehmen?«
»Wenn die Leute einen Kontrakt mit dem Teufel schließen und ihm ein wohlklimatisiertes Büro als Arbeitsplatz überlassen, dann kriegt man ihn da nicht so leicht wieder raus.«
»Wie kommst du auf diesen puritanischen Gedanken?«
»Das war nicht als Witz gemeint. Die Volltrottel von der Handelskammer, die ihn hierhergeholt haben, würden das Rezept für Eiswasser vermasseln.«
Ich hörte sie lachen und hinter mich treten. Dann spürte ich ihre Hände auf meinen Schultern. Sie küßte mich oben auf den Kopf.
»Dave, manchmal bist du echt zum Schießen«, sagte sie und umarmte meine Brust.
Ich hörte mir die Nachrichten im Radio an, als ich zum Spanish Lake rausfuhr. Ein tropisches Unwetter vor der Küste von Kuba wuchs sich immer mehr zu einem richtigen Hurrikan aus. Man rechnete damit, daß sich der Sturm in nordwestlicher Richtung auf die Golfküste zubewegen würde. Ich warf einen Blick gen Süden, aber der Himmel war metallisch und heiß und nahezu wolkenleer. Als ich an dem kleinen Verkaufsstand mit Wassermelonen und anderem Obst am Ende der West Main Street vorbeikam, fing mein Radio auf einmal wild an zu rauschen, und der Motor produzierte eine Reihe von Fehlzündungen.
Der Pickup ruckelte und stotterte die ganze Strecke bis zur Einfahrt des Filmsets am See. Ich bog von der unbefestigten Straße auf den Rasen neben der Wachkabine, wo Murphy Doucet saß, und öffnete die Motorhaube. Er trat in seiner grauen Uniform durch die Tür nach draußen, die Bifokalbrille aufgesetzt.
»Ist was kaputt, Dave?« fragte er. Licht spiegelte sich in Halbmonden in der Brille. Seine blauen Augen rollten hin und her, als er mich anblickte.
»Sieht so aus, als ob sich ein Draht am Spannungsregler gelöst hat.« Ich betastete meine Hosentasche. »Haben Sie vielleicht mal ein Messer für mich?«
»Yeah, ich müßte was haben.«
Ich folgte ihm hinein. Auf dem Arbeitstisch lagen die Balsaholz-Teile eines Wasserflugzeugs. Auf den Bastelplänen war ein Werkmesser mit einem Aluminiumgriff, dessen Klingen man wechseln konnte. Aber das ließ er liegen und öffnete eine Schublade, aus der er ein Stilett mit schwarzem Griff nahm. Er drückte auf den Knopf, und das Messer sprang in seiner Hand auf.
»Das sollte gehen«, sagte er. »Damit ist mir in Lake Charles mal ein Mexikaner gekommen.«
»Ich habe gar nicht gewußt, daß Sie bei der Polizei in Lake Charles waren.«
»War ich auch nicht. Bin bei der State Police gewesen, auf den Highways und Überlandstraßen. Da hab ich letztes Jahr meinen Abschied genommen.«
»Danke, daß Sie mir das Messer borgen.«
Ich bearbeitete das lose Kabel ein wenig, um ein kleines Stück Draht im Isolierkabel freizulegen, und befestigte es dann wieder am Spannungsregler. Ich gab Murphy Doucet sein Messer zurück und fuhr hinunter in den Eichenhain am See. Als ich in den Rückspiegel blickte, beobachtete Doucet mich, im Mund eine unangezündete Zigarette.
Darsteller und Drehteam waren gerade am Ende der Mittagspause. Sie saßen direkt am Wasser an Picknicktischen mit karierten Tischdecken, die schwer beladen waren mit gebratenen Hühnchen, Kartoffelsalat, Reis, Coleslaw und kalt beschlagenen Plastikkrügen mit Eistee und Limonade. Alafair saß im Schatten
Weitere Kostenlose Bücher