Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Farnkräuter im Bachbett riechen, die langgedehnten, feingeschlungenen Wurzeln, die in der Strömung aufgeschwemmt wurden, das kühle Aroma nassen Steins und das Immergrün, das im Gras raschelte.
Ich hatte mir nie vorgestellt, daß sich an dieser Stelle in meinem Garten, der sanften Ausbuchtung, durch die ein schmaler Bach floß, einst Angehörige des Signalkorps der konföderierten Armee versammeln würden, um sich an einem heißen Tag zu erfrischen. Aber aus den Regenwolken und dem Schwefelgeruch und den Blitzen, die bereits im Süden oben am Himmel flackerten, sah ich den General herabkommen. Er stand in Begleitung von zwei jüngeren Offizieren im geflochtenen Korb eines Observationsballons, der aus Seide in mindestens sechs verschiedenen Farben zusammengenäht zu sein schien. Fünf Soldaten machten Korb und Ballon mit Halteseilen am Boden fest. Sie halfen dem General heraus und reichten ihm eine Krücke. Neben dem Landeplatz standen ein Tisch und ein Stuhl und eine Telegrafentastatur an einem langen Draht, der am Ballonkorb befestigt war. Der Ballon zerrte an den Seilen und wackelte und wogte im Wind, der über das Zuckerrohrfeld meines Nachbarn blies.
Einer der Adjutanten des Generals half ihm, in einem stoffbespannten Gartenstuhl neben meiner Hängematte Platz zu nehmen, und zog sich dann zurück.
»Großartig, nicht wahr?«
sagte er.
»Allerdings«
, sagte ich.
»Ladies aus ganz Louisiana haben ihre Seidenkleider für den Ballon zur Verfügung gestellt. Der Strohkorb ist von einem italienischen Feinkosthändler in New Orleans angefertigt worden. Ganz außerordentlicher Ausblick. Im nächsten Leben komme ich als Vogel wieder. Würden Sie es gerne mal auf einen Versuch ankommen lassen?«
»Jetzt gerade nicht, danke.«
»Ein schlechter Tag dafür?«
»Ein anderes Mal, General.«
»Sie trauern um Ihren Freund?«
»Ja.«
»Sie sind auf Rache aus, stimmt’s?«
»Die Cops in Lafayette wollen es als Selbstmord abhaken.«
»Jetzt hören Sie mir mal gut zu, Lieutenant. Was auch immer in Ihrem Leben geschieht, wie schlimm und widrig Ihnen auch alles erscheinen mag, eine unehrenhafte Tat dürfen Sie nie in Betracht ziehen.«
»Das war eine andere Zeit, zu der Sie lebten, General. Heute nachmittag habe ich einen Film gesehen, in dem junge Frauen von Sadisten und Degenerierten geschlagen und gequält wurden, vielleicht sogar umgebracht. Solches Zeug wird in Geschäften verkauft und in öffentlichen Kinos gezeigt. Die Schweine, die so was herstellen, kommen selten hinter Gitter, wenn man sie nicht wegen Postbetrugs drankriegt.«
»Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich Ihren ganzen Anspielungen folgen kann, aber ich will Ihnen von einer Sache erzählen, die uns vor drei Tagen widerfahren ist. Mein Flaggenträger war ein Junge von grade mal sechzehn Jahren. Auf einem Brachfeld geriet er in ihr Kreuzfeuer. Es gab keine Möglichkeit für ihn, in Deckung zu gehen. Er versuchte sich zu ergeben, indem er sein Hemd über dem Kopf schwenkte. Sie haben ihn trotzdem getötet, ob aus Absicht oder Zufall, das weiß ich nicht
.
Bis zum Abend hatten wir das Gelände wieder erobert und seine Leiche geborgen. Die Miniékugeln hatten ihn so zerrissen, als ob wilde Hunde über ihn hergefallen wären. Er war so dünn, daß man seine Knochen mit den Fingern zählen konnte. In seiner Provianttasche war noch seine Tagesration – eine Handvoll schwarzer Bohnen, ein paar geröstete Eicheln und eine getrocknete Süßkartoffel. Mehr konnte ich diesem Jungen nicht zu essen geben, der mir bis in den Tod gefolgt war. Was meinen Sie, was ich in diesem Augenblick für die fühlte, die ihn getötet hatten?«
»Vielleicht waren diese Gefühle ja berechtigt.«
»Ja, das sagte ich mir auch wiederholt in dieser Nacht. Und auch, wenn ich daran denken mußte, wie ausgeblutet seine Haut glänzte, als wir ihn zur Beerdigung fertig machten. Dann bot sich eine günstige Gelegenheit. Von unserem Ballon aus überblickte ich ein Zürgelbaumwäldchen. Neben einem Sanitätszelt hockten ein Dutzend Unionssoldaten mit heruntergelassenen Hosen an einer Latrine. Zweihundert Yards weiter auf dem Bayou, ohne daß sie es sehen konnten, war eines unserer Boote mit einem Zwölfpfünder auf dem Bug. Ich hätte nur einfach über die Telegraphenleitung die Order geben müssen, dann hätten unsere Kanoniere Kartätschen geladen und die armen Teufel über ihren eigenen Exkrementen zerfetzt. Aber das ist nicht unsere Art, nicht wahr?«
»Das mag für Sie
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