Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
wissen, was man sich unter den Insassen eines Hochsicherheitstrakts vorzustellen hat. Für gewöhnlich sind es nicht Männer wie Baby Feet, der intelligent und für einen Soziopathen noch relativ bei Verstand war. Nein, eher Psychopathen, bei denen alle Sicherungen durchgeknallt sind, obwohl sie nicht offiziell als geisteskrank eingestuft werden, da sie andernfalls ja in psychiatrische Anstalten eingewiesen würden, wo man sie wiederum in relativ kurzer Zeit wieder auf freien Fuß setzt. Ihr Intelligenzquotient entspricht vielleicht dem batteriebetriebener Kohlköpfe, dafür haben sie gewaltige Zweimeter-Körper, denen die Brunft aus jeder Pore kommt. Oft sind es auch Muttersöhnchen, die Hornbrillen tragen und sich das Haar wie Mädchen über die schmalen Schultern kämmen, ganze Familien auslöschen und dafür keine weitere Erklärung liefern können als ein amüsiertes, leicht konfuses jugendliches Lächeln.
Aber keiner von ihnen war Julie gewachsen. Er war ein mächtiger Mann im organisierten Verbrechen, mit besten Beziehungen sowohl im Gefängnis als auch in der Außenwelt, ein Ungeheuer mit gewaltiger Statur, dessen wirbelnde Füße Gegner aus jeder Körperöffnung bluten ließen. Er übernahm den Rauschgifthandel im Knast, knackte in der Dusche diverse Schädel und Lenden, ließ es sich etwas kosten, einen Rivalen im Gefängnishof abstechen und einen Spitzel in der Toilettenschüssel ertränken zu lassen.
Außerdem wurde er eine richtige Berühmtheit als Wolf unter Wölfen. Die Jungs, die sich und ihre Sexualität jeweils dem Stärksten unterwarfen, bügelten seine Kleider, wuschen ihm das Haar, manikürten seine Nägel und fragten ihn schon im voraus, welche Perücken und was für Frauenunterwäsche sie tragen sollten, wenn sie ihn in seiner Zelle besuchten. Er schürte Eifersüchteleien unter ihnen und betrachtete amüsiert, wie sie Intrigen schmiedeten und darum stritten, wer am höchsten in seiner Gunst stand und so in den Genuß des Marihuanas, der Pillen und des selbstgebrannten Alkohols kam, die er seinen Favoriten zukommen lassen konnte.
Vielleicht fand er sogar die Bewunderung und devote Unterwürfigkeit, die ihm seit seiner Jugend schon immer versagt worden war, von der Zeit, wo er Bable White’s Mischlingsbordell in Crowley frequentierte, bis zu dem Tag, an dem er Cherry LeBlanc ermorden ließ.
Das dachte zumindest der Psychologe in Fort Leavenworth, der mir diese Geschichte erzählte. Er sagte, daß Julie in seinem ersten und letzten Frühling auf dem Gefängnishof tatsächlich glücklich wirkte, wie er seinen Boys auf dem Baseballfeld weite Bälle zuschlug, den Schläger von weit hinten mit der Wucht und der Eleganz eines DiMaggio schwang, das feine schwarze Haar an den Schultern schweißglänzend, die schwarzen Seidenshorts lose an den Hüften mit dem lockeren männlichen Selbstvertrauen eines erfolgreichen Athleten und Lovers. Seine Handgelenke federten, wenn er den Ball traf, ihn höher in den blauen Himmel aufsteigen ließ, als es jemals jemand in Leavenworth geschafft hatte, während rings um ihn andere Häftlinge sich anstießen und anerkennend nickten.
Vielleicht gingen all diese Dinge ihm immer noch im Kopf herum, als er an jenem Sonntag abend vom Spielfeld kam, duschte und in die leere Zelle seines gegenwärtigen Boys ging, um dort unter einem kleinen Ventilator seinen Mittagsschlaf zu halten, ein Leintuch über den Kopf gezogen. In seinen Träumen war er vielleicht noch einmal ein Filmproduzent, der kurz vor dem großen Durchbruch stand, ein Kleinstadtjunge, dessen Geschichte einst von Biographen neu erzählt werden und in Hollywood zur Legende werden würde, ein ebenso wohltätiger wie gefürchteter Mogul in einem weißen Tropenanzug für zweitausend Dollar, die Sonnenbrille im Gesicht, der elegant und anmutig auf den Gartenpartys von Beverly Hills durch die Bougainvilleas und Palmen und das Klingen der Champagnergläser wandelte.
Vielleicht sah er aber auch ganz kurz, als ein Schmerz so intensiv, daß es seine schlimmsten Vorstellungen übertraf, wie eine rote Glasscherbe in sein Bewußtsein schnitt, das Gesicht seines Vaters, verzerrt und zusammengeballt wie eine Faust, der ihn mit der Waffe in Schach hielt und mit der Metalltülle eines Gartenschlauchs auf seinen zuckenden Rücken einschlug.
Der Molotowcocktail, den ein Mitbewerber um Julies Gunst geworfen hatte, zerbrach an der Steinmauer über Julies Schlafplatz und hüllte seinen ganzen Körper in brennendes Paraffin und
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