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Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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Benzin. Er stürzte aus dem Bett, fuchtelte wild mit den Armen durch die Luft, und das Leintuch löste sich an seiner Haut in schwarze Löcher auf. Er rannte blind durch die offene Zellentür, versuchte sich über Augen und Mund zu wischen, jetzt nur noch ein riesiger Flammenkegel, der sich rapide selbst zerstörte, und mit einem langen, gellenden Schrei sprang er über das Geländer des Treppengangs und stürzte wie ein Meteor drei Stockwerke tiefer auf den Betonfußboden.
    Was geschah mit Twinky Hebert Lemoyne?
    Nichts. Zumindest nicht äußerlich. Er ist immer noch da draußen, ein Mitglied einer Generation, deren Metamorphose nie richtig stattfindet.
    Manchmal sehe ich sein Bild im Wirtschaftsteil der Tageszeitung von Lafayette. Wenn irgendwo ein Wohltätigkeitsfrühstück stattfindet, je nachdem, wie es in der Geschäftswelt gerade schick ist, Gutes zu tun, kann man auf seine Anwesenheit zählen. Höchstwahrscheinlich meint er es sogar ehrlich. Ein- oder zweimal sind wir uns bei einem Krabben- oder Fischgrillfest in New Iberia über den Weg gelaufen. Allerdings tut er sich schwer, wenn er auf so persönliche Weise mit seiner Vergangenheit konfrontiert wird. Seine Manieren sind selbstverständlich immer noch die eines Gentlemans, und seine rosige Haut und der Eierkopf und der zerknitterte Seersucker-Anzug entsprechen voll dem Bild, das man sich von besonnenen und distinguierten Südstaatenhonoratioren macht, aber an dem ständigen, eingeübten Ausweichen seiner Augen, wenn man ihm ins Gesicht sieht, läßt sich ein anderer Mann erkennen. Ein Mann, der so wenig Selbstachtung besaß, daß er sich an einem Lynchmord beteiligte, weil ihm einer seiner schwarzen Angestellten Hörner aufgesetzt hatte.
    Nein, das ist ihm gegenüber nicht ganz fair.
    Vielleicht ist er genau wie Julie Balboni ein Teil von uns. Er stand seiner Vergangenheit mit so viel Abscheu gegenüber, daß er sich niemals dazu bekennen konnte, sie nie sühnen konnte und sich natürlich auch nie selbst vergeben konnte. Wie Proteus, der aus dem Meer steigt und auf ewig neue Gestalt annimmt, schloß also Twinky Hebert Lemoyne einen Vertrag mit sich, in dem die Lüge festgeschrieben wurde, und als Konsequenz war er dazu verdammt, an jedem Tag seines Lebens die Vergangenheit von neuem zu durchleben.
    Beim großen Krabbengrillfest im Park am Bayou Teche setzte er sich versehentlich keinen Meter von mir, Bootsie und Alafair an einen Holztisch unter den Pavillon. Er hatte gerade begonnen, die Scheren eines Krebses zu knacken, als er merkte, wer ihm da gegenübersaß.
    »Was machen Sie hier?« fragte er mit offenem Mund.
    »Ich wohne in New Iberia. Man hat mich eingeladen.«
    »Wollen Sie mich schikanieren?«
    »Für mich ist erledigt, was im Sommer 1957 geschah, Mr. Lemoyne. Warum ziehen Sie nicht auch einen Strich unter das Ganze?«
    Tief in seinen Augen schimmerte ein schmerzliches Licht wie ein brennendes Streichholz. Er versuchte mit einem Nußknacker die Schere des Schalentiers aufzubrechen, aber seine Hand rutschte aus, und der Saft spritzte auf seine Hemdbrust.
    »Sagen Sie es einem Priester, einem Polizisten, oder steigen Sie in ein Flugzeug und erzählen Sie’s einem Menschen, den Sie zuvor noch nie gesehen haben«, sagte ich. »Werden Sie’s nur ein für allemal los und hören Sie auf, hier ewig den Rotarier zu spielen.«
    Aber er war bereits eilig auf dem Weg zur Herrentoilette, nervös mit einer Serviette über die Handflächen wischend. Kleingeld klimperte in seinen Hosentaschen, und er drehte den Hals hin und her, als drückten der steife Kragen und die Krawatte wie ein Seil gegen seine Haut.
    In diesem Jahr verbrachten wir unseren Urlaub in Kalifornien. Wir besuchten Elrod auf seiner Ranch, einem auf Holzpfeilern erhöhten Haus hoch auf einer Klippe im Topanga Canyon, mit Ausblick auf den Pacific Coast Highway und den Ozean, auf dem jeden Morgen eine dicke bläulich-weiße Nebeldecke lag, unter der man die Wellen wie Lawinen an den Strand krachen hörte.
    Zwei Wochen lang hatte Alafair eine Rolle in einem Film, den Mikey Goldman und Elrod draußen bei Columbia Tri-Star drehten, und an den Abenden aßen wir in Gladstone’s am Strand Cherrystone-Austern oder machten mit Mikey Goldmans Wasserflugzeug Ausflüge nach Catalina Island. Wenn die untergehende Sonne im Ozean versank, schien sie einzelne schwarze Wolkenfetzen mit sich zu ziehen wie ein brennender roter Planet, der langsam ins wäßrige Grün des Pazifiks eintauchte. Als die gesamte

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