Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Freudianern. Die verbringen selten Zeit an vorderster Front. Lassen Sie nur. Das Gefühl, das Sie jetzt haben, das vergeht mit der Zeit. Glauben Sie mir, es ist immer so.«
»Nein, nicht wenn man noch viermal auf einen Mann schießt, der schon getroffen war. Ein Mann, der nur mit einer Dose Hundefutter bewaffnet war.«
Ich blickte auf den Lichtstreifen, der sich draußen über der Bucht immer weiter ausbreitete, und die Möwen, die über die Wellen glitten.
»Er hat eine Kanone gehabt, Rosie. Sie haben es nur im Moment vergessen«, sagte ich und legte ihr Alafair in die Arme.
Ich ging noch einmal zurück zu den Bäumen, wo ich meinen Regenmantel aufhob. Ich legte ihn über den Arm und lief zu der Stelle, wo Murphy Doucet halb aufrecht in den Butterblumen saß. Blut aus seinen Wunden bildete Rinnsale im Wasser. Aus der Manteltasche nahm ich Lou Girards Revolver, den kleinen .32er, wischte mit dem Taschentuch den abgewetzten Lauf und den geklebten Holzgriff ab, drückte die Waffe in Doucets Hand und schloß seine steifen Finger um den Ahzugsbügel.
Auf seinem Unterarm waren Spuren von Zahnabdrücken, die so aussahen, als stammten sie von einem Kind.
Das nächste Mal legst du dich nicht mit Alafair Robicheaux oder der konföderierten Armee an, Murph, dachte ich.
Dann hob ich die Krücke auf, die sich zwischen seinen Beinen verfangen hatte. Das Holz war alt, verwittert grau, der Schaft mit einem Messer zurechtgeschnitzt, die Armstütze mit verrotteten Flanellstreifen gepolstert.
Die Sonne brach durch die Wolken über mir, und unter dem grünen Blätterdach in der Marsch zog sie feine Streifen durch das flirrende Licht, wie zartes Blattgold, und ich sah graue Gestalten, die denen längst toter Wachposten ähnelten, und wie ein Mann, der endlich gelernt hat, daß man in einer unvernünftigen Welt nicht vernünftig denken kann, hielt ich die Krücke hoch in die Luft, und ich bot sie ihnen allen dar, den schemenhaften Gestalten in den Bäumen, und selbst den Klängen der Geschöpfe, die sich im Wasser bewegten, und ich fragte:
»Wollen Sie das nicht mitnehmen, Sir?«
Aber wenn er darauf antwortete, so hörte ich es nicht.
Epilog
An dieser Stelle würde ich jetzt gerne davon erzählen, daß das Department und das Büro der hiesigen Staatsanwaltschaft Julie Balboni schließlich doch noch vor Gericht brachten, daß wir vor der eigenen Tür kehrten und ihn in Ketten für zwanzig oder dreißig Jahre nach Angola schickten. Aber so war es nicht. Wie könnte es auch? In vieler Hinsicht war Julie ein Teil von uns, genau wie es schon sein Vater gewesen war, als er die Stadt mit Spielautomaten und halbseidenen Etablissements auf der Railroad Avenue und der Hopkins Avenue versorgt hatte. Nachdem Julie auf eigene Faust die Stadt verlassen hatte, um Karriere in der Mafia von New Orleans zu machen, hatten wir ihn bei seiner Rückkehr willkommen geheißen, und wir hatten augenzwinkernd über seine Anwesenheit hinweggesehen oder so getan, als ob er nicht das wäre, was er war.
Ich glaube wirklich, daß Julie und sein Vater etwas über uns wußten, das uns selbst nicht bekannt war. Sie wußten, daß wir käuflich waren.
Auch Julie erwischte es schließlich, aber so, wie es niemand erwartet hatte – wegen der Steuer. Nein, auch das stimmt so nicht ganz. Der IRS, diese allgegenwärtige Bundesbehörde, die Nemesis des organisierten Verbrechens, war nur eine Fußnote zu Julies Untergang. Der Keim von Julies Ende lag in Julie selbst. Und ich schätze, in seiner Maßlosigkeit wäre es Julie anders auch gar nicht recht gewesen.
Von Rechts wegen hätte er es mit links hinter sich bringen können, schlappe drei Jahre in einem Luxusgefängnis in Florida, ohne Stacheldraht oder bewaffnete Wärter, mit Zweibettzimmern, die man kaum Zellen nennen konnte, Tennisplätzen und Freigang übers Wochenende. Aber während der Untersuchungshaft in New Orleans spuckte er einem Gerichtsdiener ins Gesicht, riß die Naßzelle aus der Zellenwand und sagte einem Informanten, den sie zu ihm in die Zelle gesteckt hatten, daß er Cholo Manelli umbringen lassen wollte, von dem er glaubte, er hätte seine Bücher dem IRS in die Hände gespielt (was zutraf, wie ich später hörte).
Also verfrachteten sie Baby Feet in den Hochsicherheitstrakt von Fort Leavenworth, Kansas, ein Ort, wo man im Winter glauben könnte, daß die Erde dort mit Agent Orange vergiftet wurde und daß eisige Winde aus allen vier Richtungen gleichzeitig blasen können.
Die wenigsten Leute
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