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Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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hatten.
    »Cholo –« sagte er.
    »Was ist mit ihm?« sagte ich.
    »Er ist irgendwo da draußen.«
    »Das bezweifle ich.«
    »Du kennst ihn nicht. Er hat ein Rasiermesser. Wenn der sich einmal was in den Kopf gesetzt hat... der vergißt nicht. Einmal hat er einen Kerl in Einzelteilen an einen Deckenventilator gebunden.«
    Seine Brust bewegte sich mit seinem Atem am Rand der Toilettenschüssel. Falten furchten seine Stirn, die Nase war wie ein feuchter roter Schmierfleck auf seinem Gesicht, und seine Augen zuckten, erfüllt von einem tranigen Funkeln.
    Ich drehte das Wasserrohr zu, aus dem immer noch Wasser in den zerstörten Wassertank spritzte, dann fand ich in einem Wäscheschrank eine Steppdecke und ein paar Handtücher. Die Handtücher legte ich unter Julies Unterarme, die Decke zwischen seine Knie und den Fuß der Toilettenschüssel.
    »Mehr kann ich nicht für dich tun, Feet. Vielleicht ist das für uns beide die letzte Runde«, sagte ich.
    Die Vorderräder des Pickup tanzten auf dem Asphalt, als ich hochschaltete. Wir waren auf dem Highway 90, südöstlich von der Stadt. Der Regen hatte aufgehört, Nebel bedeckte die Eichen und Palmen am Straßenrand, und im Süden ging der Mond auf wie eine bläßliche weißblaue Oblate. Wolkenstreifen, die sich vom Horizont über dem Golf gelöst hatten, zogen an ihm vorbei.
    »Weiter kann ich den Kopf nicht mehr aus dem Fenster hängen, Dave«, sagte Rosie.
    »Was würden Sie denn anders machen? Das müssen Sie mir sagen, Rosie.«
    »Ich glaube, wir hätten Balboni verhaften sollen – es besteht dringender Verdacht, daß er an einem Kidnapping beteiligt ist.«
    »Und meine Tochter wäre tot, sobald Doucet es erfährt. Jetzt sagen Sie mir nicht, daß das nicht stimmt.«
    »Ich bin mir nicht sicher, ob Sie sich noch unter Kontrolle haben, Dave. Was Sie da vorher über die letzte Runde –«
    »Was ist damit?«
    »Sie denken dran, Doucet umzubringen, stimmt’s?«
    »Ich kann Sie da vorne an der Ecke absetzen. Soll ich das tun?«
    »Meinen Sie etwa, Sie sind der einzige, dem etwas an Ihrer Tochter liegt? Meinen Sie etwa, ich will irgendwas tun, das ihre Lage noch verschlimmert?«
    »Eins hab ich bei der Armee gelernt, Rosie. Die Regeln werden gemacht, wenn die Schlacht geschlagen ist. Wer was anderes glaubt, hat’s nie am eigenen Leib miterlebt.«
    »Das sehen Sie ganz falsch, Dave. Den Gefallen dürfen wir der anderen Seite nicht tun, daß wir wie sie werden.«
    Vor uns sah ich die erleuchteten, baumbeschatteten weißen Stuckwände einer ganztägig geöffneten Tankstelle, die es schon seit den dreißiger Jahren gab. Ich nahm den Fuß vom Gaspedal und blickte hinüber zu Rosie.
    »Fahren Sie weiter«, sagte sie. »Ich sage kein Wort mehr.«
    Wir fuhren durch Jeanerette und Franklin zum äußeren Rand des Atehafalaya-Beckens, wo das Sumpfland von Louisiana in den Golf von Mexiko mündet, nicht weit von dem Ort, wo diese Geschichte mit einem Lynchmord im Jahre 1957 begonnen hatte. Rosie war an die Wagentür gelehnt eingeschlafen. In Bayou Vista bog ich auf die unbefestigte Straße, die südwärts zum Riedgras an der Atchafalaya-Bay führte. Unter dem Mond sahen die Felder wie geschmolzenes Zinn aus, das Zuckerrohr flach ins Wasser gedrückt wie Stroh. Hölzerne Farmhäuser und Scheunen waren aus den Fundamenten gerissen worden und standen jetzt schief, als hätte ein gigantischer Daumen auf ihre Dächer gedrückt, und auf einem Straßenstück waren über ungefähr einen Kilometer alle Telefonmasten gleichmäßig und sauber in Bodenhöhe abgeknickt und wie Stöcke in die Bäume geschleudert worden.
    Dann führte die Straße durch einen dichten Eichenkorridor, und durch die Bäume hindurch konnte ich vier weiße Pferde sehen, die auf einer von Nebelfetzen durchzogenen Weide im Kreis galoppierten. Der Stacheldrahtzaun machte sie scheu, Schlamm spritzte von ihren Hufen, sie blähten die Nasenflügel, und ihre Augen glänzten angsterfüllt vor den Blitzen im Hintergrund. Unter dem Fell sah man die Muskeln rollen wie silbriges Wasser, das über Stein fließt. Dann war ich mir auf einmal sicher, daß ich eine Gestalt am Straßenrand gesehen hatte, dahinter die schwankenden Schatten der Stachelpalmen. Der stahlgraue Uniformrock war bis zur Kehle zugeknöpft, der Offiziershut mit der weichen Krempe bis tief in die Augen gezogen.
    Ich schaltete das Fernlicht ein, und für den Bruchteil einer Sekunde sah ich sein längliches milchweißes Gesicht wie in einem Fotoblitz.
    »
Was machen

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