Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Blasen in einem kochenden Wasserkessel:
Überraschung, Motherfucker! Waffe weg! Sofort!
, als Rosie an einer Angelleine hängenblieb, die an einer Kuhglocke auf der Veranda befestigt war.
Er warf einen Blick über die Schulter in ihre Richtung, machte einen Satz vorbei am Klo und rannte auf einem langen grünen Streifen festen, trockenen Bodens, auf dem lauter Butterblumen wuchsen, in Richtung Marsch. Aber wenige Meter vor den Trauerweiden und toten Zypressen, die ihm Deckung hätten bieten können und vielleicht schon außerhalb der Reichweite unserer Waffen waren, sank er mit den offenen Stiefeln in einem Haufen verrotteter Krankenhausabfälle ein, der dicht von Schlingpflanzen überzogen war. Eine hölzerne Krücke, die wie selbstgezimmert aussah, mit einem einzelnen Holzschaft, auf dem die Armstütze montiert war, tauchte auf einmal unter seinem Stiefel auf und fuhr ihm zwischen die Beine wie ein Stock, der in die Fahrradspeichen gerät.
Er drehte sich hilflos zu Rosie, verlor das Gleichgewicht und taumelte nach hinten. Die blauen Augen zuckten wild, und er streckte ihr den rechten Arm entgegen, als sei es nicht zu spät, als müsse sie doch erkennen, daß er in seiner Hand keine Waffe hielt, sondern nur eine Büchse Hundefutter. In diesem Augenblick gab sie den ersten Schuß aus ihrer .357er Magnum ab. Er traf ihn mitten ins Brustbein.
Aber das war nicht alles. Sie schoß weiter, den Revolver mit beiden Händen umklammernd, und jedes einzelne der Weichspitzgeschosse warf ihn nach hinten wie der Schlag eines Preßlufthammers. Scharlachrote Blumen explodierten auf seiner knochigen Brust und zerfetzten das Hemd, bis die letzte Kugel in der Trommel ihn in den Brustkorb traf und ihm da am Wasserrand die Eingeweide aus dem Leib riß. Dann klappte er einfach an der Stelle zusammen, wo seine Beine unter ihm nachgegeben hatten, als hätte ein Chirurg alle Knochen in seinem Leib entfernt.
Als sie die Waffe herunternahm, sahen ihre Wangen aus, als seien darin winzige glühendrote Kohlenstücke, und ihre Augen waren weit aufgesperrt, als starre sie ins Antlitz eines tosenden Sturms, eines Sturms, in dessen Zentrum unsichtbare Kräfte und schneidende Winde wüteten, die nur sie hören konnte.
Aber ich hatte keine Zeit, mir Gedanken darüber zu machen, welche Trennlinie Rosie da überschritten hatte und welchen Schmerz und welche Erkenntnis dieser dunkle Moment für sie mit sich bringen würde.
Hinter mir hörte ich, wie Bretter brachen, dann sah ich metallene Stuhlbeine durchs Fenster fliegen, dicht gefolgt von Alafair, die hinauskletterte, der kleine Leib hoch in der Luft, die rosa Tennisschuhe strampelnd über dem feuchten Boden.
Ich rannte zu ihr, packte sie um die Taille und drückte sie fest an mich. Sie vergrub ihren Kopf an meiner Brust und krallte sich mit den Beinen an mir fest wie ein Frosch, und ich konnte spüren, wieviel Spannung in ihren Muskeln lag, wie heiß ihre Hände waren, wie abgehackt der Atem in ihrer Kehle rasselte, als sei sie gerade aus tiefem Wasser nach oben gekommen in einen warmen, salzigen Luftzug und in die Helligkeit eines sonnigen Tages, der vom Geschrei der Meeresvögel erfüllt war.
»Hat er dir was getan, Kleines?« fragte ich, und mir wurde das Herz dabei schwer.
»Ich hab ihm gesagt, daß er es ja nicht wagen soll. Ich hab ihm gesagt, was du dann tust. Ich hab ihm gesagt, daß du ihm die Eier abreißt. Ich hab ihm gesagt –«
»Wo hast du denn so reden gelernt, Alf?«
Ein Zittern ging durch ihren Körper, als hätte sie gerade ihre Hand von einem heißen Gegenstand genommen, dann machte sie die Augen zu und begann zu weinen.
»Es ist alles gut, Kleines. Wir gehen jetzt nach Hause«, sagte ich.
Ich trug sie an meiner Hüfte zurück zum Wagen, ihre Arme um meinen Hals, das Gesicht naß an meinem Hemd.
Ich hörte hinter mir Rosies Schritte im Laub, Sie schüttelte die leeren Hülsen aus der Trommel des Revolvers in ihre Hand, sah sie stumpf an und warf sie dann in die Bäume, wo sie klingelnd aufprallten.
»Machen Sie sich keine Vorwürfe, Rosie. Der Kerl hat es so gewollt. Die Weichen dazu hat er schon vor langer Zeit gestellt.«
»Ich konnte einfach nicht aufhören. Warum hab ich nicht aufgehört zu schießen? Es war vorbei, und ich hab immer weiter geschossen.«
»Weil man in solchen Situationen nicht mehr nachdenkt.«
»Nein, das war es nicht. Er mußte für etwas zahlen, das mir selbst vor langer Zeit widerfahren ist, oder?«
Ȇberlassen Sie das ruhig den
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