Im Schatten der Mangroven (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
sie in einen tabakverschmierten Spucknapf aus Messing fallen und trat ins Büro des Sheriffs.
Eine braune Aktenmappe lag aufgeklappt auf seinem Tisch. Er las darin, beide Ellenbogen auf die Schreibtischunterlage gestützt und die Fingerspitzen leicht an die Schläfen gelegt. Sein Mund war klein, die Mundwinkel nach unten gezogen. An der Wand hing ein gerahmtes und signiertes Bild von Präsident Bush.
»Wie geht’s?« sagte ich.
»Oh, hallo, Dave«, sagte er und sah mich über seine Brillengläser hinweg an. »Schön, Sie zu sehen. Wie fühlen Sie sich heute?«
»Prima, Sheriff.«
»Sie hätten nicht hierherzukommen brauchen. Sie sollten sich doch eine Woche oder so frei nehmen. Hat Bootsie Ihnen das nicht gesagt?«
»Bin heute morgen in Opelousas gewesen. Ich denke, ich habe herausgefunden, von wem die Knochen im Atchafalaya-Becken stammen könnten.«
»Was?«
»Zwei bewaffnete Männer haben 1957 einen schwarzen Gefangenen namens DeWitt Prejean aus dem Bezirksgefängnis von St. Landry geholt. Der Kerl war dort eingesperrt, weil er eine weiße Frau mit einem Fleischermesser bedroht hatte. Aber es klingt mehr nach einer versuchten Vergewaltigung. Vielleicht hatten sie auch was miteinander. Der alte Gefängnisvorsteher hat was in der Art gesagt, daß Prejean schwer hinter den Frauen her war. Vielleicht sind die Frau und Prejean miteinander erwischt worden, und sie haben Prejean unter einem Vorwand festgenommen, um ihn dann zu lynchen.«
Die Augen des Sheriffs blinzelten in einer schnellen Folge, und er nagte mit den Zähnen an der Unterlippe.
»Ich versteh Sie nicht«, sagte er.
»Bitte?«
»Ich habe Ihnen wiederholt gesagt, daß dieser Fall dem St. Mary Parish gehört. Wieso stellen Sie sich taub, wann immer ich Ihnen etwas sage?«
»Der Tod von Kelly Drummond hat nichts mit dem St. Mary Parish zu tun, Sheriff. Ich glaube, daß der Mann, der sie getötet hat, hinter mir her war, und das wegen dieses gelynchten Schwarzen.«
»Das ist nicht erwiesen. Das ist längst nicht erwiesen.«
»Vielleicht nicht. Aber was schadet das schon?«
Er rieb sich mit dem Daumen über das runde Kinn mit dem Grübchen. Ich konnte seine Barthaare kratzen hören.
»Eine Untersuchung hat dafür zu sorgen, daß die richtigen Leute ins Gefängnis kommen«, sagte er. »Man wirft nicht einfach ein großes Netz über die halbe Bevölkerung von zwei oder drei Parishes. Und genau das tun Sie und diese Frau.«
»Da liegt also das Problem?«
»Da können Sie Gift drauf nehmen. Vor einer halben Stunde kreuzte Agent Gomez hier damit auf, was sie alles herausgefunden zu haben glaubt.« Er berührte den Rand der Aktenmappe mit dem Finger. »Wenn man Agent Gomez Glauben schenkt, hat sich New Iberia über Nacht zum neuen Reich des Bösen entwickelt.«
Ich nickte.
»Das organisierte Verbrechen von New Orleans benutzt die Firma Bal-Gold Productions, um Drogengeld zu waschen«, sagte er. »Julie Balboni führt vom Spanish Lake aus einen Prostitutionsring, der sich über den ganzen Staat erstreckt. Außerdem befiehlt er die Morde an Prostituierten und hat Ihnen vielleicht LSD in die Limonade gekippt, wenn er nicht gerade damit beschäftigt war, krumme Deals mit der Teamster-Gewerkschaft zu machen. Haben Sie gewußt, daß wir hier in der Stadt all diese Probleme haben, Dave?«
»Julie ist ein wandelnder Jauchetornado. Wer weiß, was er alles auf der Pfanne hat.«
»Außerdem hat sie einige der hiesigen Geschäftsleute als moralische Schlappschwänze und feige Trottel bezeichnet.«
»Sie ist nicht auf den Mund gefallen.«
»Bevor sie aus meinem Büro davonstürmte, hat sie noch gesagt, daß sie Wert drauf legt, mir mitzuteilen, ich sei ihr persönlich zwar durchaus sympathisch, aber sie müßte mir ganz ehrlich sagen, daß ich ihrer Ansicht nach den Arsch offen hätte.«
»Ah ja«, sagte ich und richtete meinen Blick fest auf eine Palme draußen vor dem Fenster.
Im Raum war kein Laut zu hören. Von draußen hörte ich, wie ein Vertrauenshäftling den Rasen mähte. Der Sheriff drehte an dem Universitätsring, den er am Finger trug.
»Eins will ich mal klarstellen, Dave«, sagte er. »Ich bin es gewesen, der diesen fetten Hurensohn Balboni aus der Stadt haben wollte. Sie sind derjenige gewesen, der ihn eher zum Lachen fand. Aber jetzt werden wir ihn nicht mehr los, und so stehen die Dinge.«
»Warum?«
»Weil es völlig legale Geschäfte sind, die er hier betreibt. Er hat sich hier nichts zuschulden kommen lassen. Tatsache ist, er wird
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