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Im Schatten der Mitternachtssonne

Im Schatten der Mitternachtssonne

Titel: Im Schatten der Mitternachtssonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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mühelos. Du mußt mir nur vertrauen und an mich glauben. Begib dich in meine Hände.«
    »Da ist noch etwas, Magnus. Meine kleine Schwester, Lotti. Sie steht unter meiner Obhut, und ich möchte sie bei mir behalten.«
    Es trat eine ziemlich lange Pause ein. »Was ist mit ihrem Vater? Will Olav sie nicht behalten?«
    »Nein. Er verabscheut sie.«
    »Wenn das so ist, reise ich mit zwei Frauen in die Heimat zurück. Und jetzt werde ich mit Olav sprechen.«
    Sie forschte tief in ihrem Innern, war zufrieden und sagte: »Bist du sicher, daß du mich heiraten möchtest?«
    »Zweifle nie an mir, Zarabeth.« Er küßte sie erneut und war verschwunden.

4
    Olav spürte, wie ihm der Atem stockte, als der Wikinger seinen Laden betrat. Es gab keinen Zweifel, er war der Mann, von dem Zarabeth gesprochen hatte. Sie hatte gelogen. Der Mann war kraftvoll gebaut, hochmütig, begehrenswert. Er sah aus wie einer, der das bekam, was er haben wollte. Er war ein stolzer Hundesohn.
    Und sie wollte diesen Mann haben. Nicht ihren Stiefvater. Sie würde mit ihm fortgehen, ohne einen Blick zurückzuwerfen. Zorn stieg in ihm auf. Zarabeth war genau wie ihre hurenhafte Mutter Mara, die wegen eines hübschen Männergesichts und falscher Versprechungen alles hinter sich gelassen hatte. Sie hatte wahrscheinlich jedes verlogene Wort aus dem Mund dieses Mannes geglaubt. Ja, sie war genau wie Mara, diese Schlampe, die ihn getäuscht und dazu verführt hatte, sie zur Frau zu nehmen. Er würde nicht zulassen, daß Zarabeth ihn verließ, nicht wie Mara damals. Er holte tief Luft, straffte die Schultern und hoffte, seine Gedanken seien ihm nicht zu deutlich ins Gesicht geschrieben. Dieser Mann war sein Feind, vor dem er sich hüten mußte. Es lag ihm fern, ihn zu unterschätzen. Er legte das Fell, das er gerade prüfte, auf den Stapel zurück und trat vor, um den Wikinger höflich zu begrüßen. Sie tauschten ihre Namen aus.
    Magnus fixierte Olav den Eitlen. Ein gutaussehender Mann, trotz seiner Jahre. Er trug Beinkleider aus feiner Wolle und ein hellblaues, weiches Wollwams. Der Ledergürtel war mit Bernstein und Gagat besetzt. An der rechten Hand trug er drei Silberringe und einen schweren Goldring an der linken. Um das rechte Handgelenk lagen drei Armbänder aus feinem Silber, ebenfalls mit Bernstein besetzt. Er war bei weitem besser gekleidet als seine Stieftochter, dachte Magnus, und die Muskeln seiner Kiefer spannten sich. Trotz Olavs kostbarer Kleidung, dem Zurschaustellen seines Reichtums, wölbte sich sein Bauch unter dem Wams, was der breite Gürtel nicht verbergen konnte, und seine Wangen unter dem grau melierten Bart hingen schlaff. Dennoch, er war beinahe so groß wie Magnus und wirkte kräftig für seine Jahre. Magnus konnte ihn vom ersten Augenblick an nicht leiden. Er verlor keine Zeit und sagte ohne Einleitung: »Ich komme aus zwei Gründen, Olav. Der erste und wichtigste: Ich möchte deine Stieftochter Zarabeth heiraten. Der zweite: Ich möchte mit dir Handel treiben. Ich bringe schöne Biber-und Otterfelle aus dem Gravaktal in Norwegen. Ich habe außerdem Elfenbein von Walroßzähnen, Hirschgeweihe und Federn für Kissen, die ich von den Lappen getauscht habe, die hoch im Norden leben. Wenn wir handelseinig werden, möchte ich in Silber bezahlt werden.«
    »Das ist verständlich«, sagte Olav, einen Augenblick benommen von dem Gedanken an die Vogelfedern. König Guthrum wünschte dringend Federkissen für sich und seine junge Gefährtin, und niemand konnte seinen Wunsch nach den richtigen Federn erfüllen. Der Mann, der dem König die erwünschten Federn brachte, würde sich damit zweifellos die Gunst des Königs von Danelagh erwerben. Der junge Mann stand vor ihm — hochmütig und stolz und sehr selbstbewußt. Ja, Olavs erster Eindruck bestätigte sich. Ein Mann von vorbildlicher Statur: hager, stark, erstaunlich gutaussehend, wie die meisten Norweger, mit kräftig blondem Haar und strahlend blauen Augen. Er war glatt rasiert und seine Kieferpartie war ausgeprägt und eigensinnig. Sein Kinn wies eine senkrechte Falte in der Mitte auf. Ein Zeichen des Satans, behaupteten manche der hinterwäldlerischen Sachsen und bekreuzigten sich. Olav hatte den dringenden Wunsch, ihn zu töten und ihm seine Federn zu stehlen. Doch er sagte höflich: »Ich werde gern Handel mit dir treiben, Magnus Haraldsson, wenn deine Waren von guter Beschaffenheit sind. Jetzt, da du mir deinen Namen nennst, fällt mir ein, daß andere Händler von dir gesprochen

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