Im Schatten der Mitternachtssonne
begleiten darf, wenn er fremde Städte besucht wie Miklagard und Kiew.«
Olav spürte den Groll, der in seinen Eingeweiden rumorte. Er sah, wie der Wikinger auf Zarabeth lag und sie nahm, wie Zarabeth ihn in sich aufnahm, ihn anlächelte und vor Lust stöhnte. Sie hatte gesagt, wie freundlich der Wikinger war. Welch ein Hohn. Der Kerl wollte sie nur verführen. Olav wandte sich ab, bis er die Fassung wiedererlangt hatte. Und als er sich ihr erneut zuwandte, zeigte sein Gesicht milde Besorgnis. Er hatte gelernt, heftige Gefühle vor ihr zu verbergen, denn Zarabeth war unvorhersehbar, und er wußte nicht, wie sie reagieren würde, wenn er sie so behandelte, wie ihm zumute war. Im letzten Jahr hatte er begriffen, daß sie sich von anderen Frauen unterschied. Sie war auf mancherlei Art erwachsen geworden, das spürte er in ihrer Rede, wie frei sie ihre Meinung auch im Beisein von Männern äußerte. Dafür hätte er sie schlagen müssen, doch Olav scheute sich, sie zu schlagen. Sie führte ihm den Haushalt, webte und nähte, kochte und putzte, sie erledigte alle Pflichten, wie es einer Frau anstand. Aber es war etwas an ihr, etwas
Wildes und Unbändiges, wie an diesem gottverfluchten Wikinger.
Sie wurde ihn verlassen, wenn ihr danach war, ohne einen Blick zurückzuwerfen. Sie kannte keine Zugehörigkeit, wie eine Frau sie empfinden sollte in einer unsicheren Welt, in der neben dem Leben der blutige Tod lauerte durch gesetzlose Wegelagerer, plündernde Wikinger oder rauhe Naturgewalten. Er vermutete außerdem, daß sie ihn verlassen würde, wenn er Lotti etwas zuleide tat. Daher übersah er das Kind geflissentlich, redete nicht mit ihr, um Zarabeth nicht zu verärgern. Schließlich sagte er, an einem Kanten frischen Brot kauend: »Und wenn ich dir sagte, dieser Magnus Haraldsson ist ein Abtrünniger, ein Barbar, ein Pirat, der Händler beraubt, die durch das Baltische Meer segeln?«
Zarabeth sah ihn lächelnd an. Stumm. »Nun gut, er ist also kein Abtrünniger und kein Pirat.« Olav goß sich Bier in das schöne, rauchblaue Glas aus dem Rheingau. »Aber er könnte Schlimmeres sein, Zarabeth.« Er trank langsam, blickte Zarabeth über den Rand des Glases an, um ihre Reaktion zu beobachten. Doch sie zeigte nur ihr überlegenes Lächeln. Er mußte scharf nachdenken, um seine Argumente zu ordnen. Er wollte Zarabeth nicht verlieren.
»Ich bitte dich, heute abend oder morgen keine Entscheidung zu fällen. Du bist kein leichtfertiges Mädchen, das in wenigen Augenblicken über sein Leben entscheidet. Ich bitte dich zu warten, verbringe etwas mehr Zeit mit diesem Mann, um ihn besser kennenzulernen und um dich zu vergewissern, daß er der Richtige für dich ist.« Er wollte sie auch bitten, diesem Mann nicht ihre Jungfräulichkeit zu geben, fand aber nicht die richtigen Worte.
Zarabeth blickte ihn an. So viel Verständnis hatte sie nicht von ihm erwartet. Sie hatte sich auf Streit eingestellt. Ihr wurde warm ums Herz. »Ich danke dir, Olav«, sagte sie. »Ich werde deine Worte beherzigen und meine Entscheidung erst zum Ende dieser Woche treffen.«
Er nickte zufrieden. Dadurch blieben ihm drei Tage
Zeit, um zu beschließen, was zu tun war, um diesen räuberischen Hundesohn daran zu hindern, sie ihm wegzunehmen. In diesem Augenblick stieß Lotti ihre Holzschale mit Ziegenmilch um. Die Milch ergoß sich über den Tisch und bespritzte seinen Wollärmel, bevor er seinen Arm wegnehmen konnte. Sein Gesicht lief vor Wut rot an über das ungeschickte schwachsinnige Geschöpf, aber er schaffte es, seinen Mund zu halten.
Zarabeth tätschelte beruhigend Lottis kleine Hand und erhob sich. »Ich mach es sauber, Olav.« Sie rieb den Ärmel mit einem Lappen trocken. Doch die Milch würde gewiß Flecken auf dem edlen blaßblauen Wolltuch hinterlassen. Er war töricht, sich an Werktagen so fein herauszuputzen, dachte sie, während sie den Fleck trockenrieb.
Olav blickte auf ihren gebeugten Kopf, das volle dunkelrote Haar und ihre glatte weiße Haut, ihre langen schlanken Finger. Maras Haut war gegen Ende nicht mehr so glatt und weich gewesen. Im Lampenschein war Zarabeths rotes Haar weniger leuchtend, glich mehr dem dunklen Laub der Rotbuchen im Herbst. Er hätte gern sein Gesicht darin vergraben. Er atmete ihren Duft ein.
Ihr Geruch reichte, um sein Geschlecht steif zu machen. Ihre Nähe brachte ihn halb um den Verstand. Er hob den Blick und sah, wie Lotti ihn anstarrte, ihr kleines Gesicht ernst, ihre großen Augen voller Angst.
Die
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