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Im Schatten der Mitternachtssonne

Im Schatten der Mitternachtssonne

Titel: Im Schatten der Mitternachtssonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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Guthrum halten sollte, wußte er nicht. Der Mann war älter als Egills Großvater, gab sich aber jung und energiegeladen, tauschte Zärtlichkeiten mit Cecilia aus, als wäre er ein leidenschaftlicher, junger Liebhaber. Und Cecilia trieb ihr Spiel mit ihm. Egill hatte zunächst vorgehabt, dem König zu sagen, wer er war, doch dann hatte er gehört, wie Guthrum zu einem seiner Berater sagte, der Cecilia hinter dem Rücken des Königs schöne Augen machte, er freue sich, daß die Kinder von Wikinger-Abstammung seien. Er wollte beobachten, ob Kinder von Wikingern in Gefangenschaft zu ebenso kriegerischen Menschen wie ihre Vorfahren heranwachsen würden. Ihn kümmerte es nicht. Er lachte nur darüber.
    Er fragte sich, ob der König seinen Vater kannte. Bislang hatte sich noch keine passende Gelegenheit ergeben, um ihn anzusprechen. Guthrum war ein launenhafter Mensch, und Egill war nicht dumm. Er hatte nicht die Absicht, den Mann zu verärgern, der die Macht über seines und Lottis Leben in Händen hielt.
    Egill brütete vor sich hin. Er dachte an Orm Ottarsson, der Lotti und ihn gefangengenommen hatte, als sie beide triefend naß und keuchend am steinigen Strand der spitzen Landzunge lagen. Egill hatte Lotti entdeckt, als sie mit dem Gesicht nach unten im seichten Wasser trieb, und sie an Land gezogen. Dann hatte er sie von den Schlingpflanzen befreit, die sie umschlungen hielten. Er wäre bei der Rettungsaktion selbst beinahe ertrunken, doch er hätte nichts für sein Leben gegeben, wenn das kleine Mädchen ertrunken wäre. Er hatte ihr den Brustkorb zusammengedrückt, sie umgedreht und den Rücken eingedrückt, bis sie endlich Wasser spie und wieder zu atmen anfing und erneut große Mengen Wasser spie. Dann hatte er den Kopf gehoben, und Orm Ottarsson hatte lächelnd auf die Kinder heruntergeblickt. Einen Augenblick hatte Egill geglaubt, er würde sie zu seinem Vater zurückbringen. Er hatte die Kinder in warme Decken gepackt und fortgebracht. Egill fragte Orm, was er vorhabe, doch der Mann hatte ihn nur geschlagen und höhnisch dabei gelacht. Später hatte er die Kinder dem König als Bestechungsgeschenk übergeben. Und da lag eine weitere Schwierigkeit. Der König würde gewiß Orms Worten glauben und nicht den Worten eines kleinen Sklavenjungen. Egill war ratlos. Er sehnte sich nach seinem Vater. Er sah ihn in seinen Träumen, groß und grimmig, seine Augen verdunkelt vor Trauer um seinen einzigen Sohn. Egill wußte, daß sein Vater ihn für tot hielt. Der Junge hatte alle Möglichkeiten in Betracht gezogen, stellte sich vor, wie sein Vater mit seinen Männern vergeblich nach ihm suchte. Irgendwann kamen sie zum Schluß, daß er, wie Lotti, umgekommen sein mußte oder von wilden Tieren getötet und verschleppt worden war.
    Er sah, daß Lotti auf den Knien lag und aufmerksam das römische Mosaik studierte. Die Bildergeschichte faszinierte sie, und ihre kleinen Finger zogen die bunten Figuren auf den Steinfliesen nach. Cecilia, die sich die Rose ins Haar gesteckt hatte, blickte sich nach einer Beschäftigung suchend um. Egill sah in ihr ein völlig nutzloses Geschöpf. Selbst Cyra, die Geliebte seines Vaters, hatte sich irgendwie nützlich gemacht.
    »Egill.«
    Lotti betrachtete begeistert eine Darstellung. Egill ging mit einem nachsichtigen Lächeln zu ihr und ging neben sie in die Hocke.
    Das Bild stellte einen stolzen Krieger dar, der ein kurzes Faltengewand trug, das in der Mitte von einem breiten Ledergürtel gehalten war. Auf dem Kopf trug er einen goldenen Helm. Er war hochgewachsen, muskulös und wirkte sehr selbstbewußt. Er stand im Bug eines Schiffs, schwang ein Schwert über dem Kopf und blickte siegesgewiß in die Ferne. Hinter ihm legten seine Männer sich in die Ruder.
    Der gutaussehende Krieger sah aus wie sein Vater.
    Lotti gab einen Laut von sich, Egill fuhr herum und legte seine Hand auf ihren Arm.
    Sie nickte ihm lächelnd zu. Auf der nächsten Darstellung stand der Mann an Land, sein Schwert wies immer noch auf den unsichtbaren Feind, er stand in Kampfposition da.
    Auf der letzten Darstellung war der Feind abgebildet, ein Drache, in dunkle Rauchschwaden gehüllt, der sich wand und Feuer spie. Der Krieger trennte dem Monster mit einem Schwertstreich den Kopf vom Rumpf.
    »Mein Vater wird uns retten«, flüsterte Egill. »Das ist ein gutes Omen.« Er hörte Schritte und drehte sich rasch um. König Guthrum näherte sich, und Egill fühlte Angst und Hoffnung in sich keimen. Der König schien

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