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Im Schatten der Mitternachtssonne

Im Schatten der Mitternachtssonne

Titel: Im Schatten der Mitternachtssonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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dazu Sklavenkinder. Sie konnten Liebesbeweise oder Botschaften in die Gemächer des Königs bringen, und niemand würde sich etwas dabei denken, nicht einmal Sigurd, Guthrums Gemahlin, die eifersüchtige, alte Hexe.
    Cecilia seufzte. Sie langweilte sich. Guthrum müßte längst hier sein. Er verspätete sich. Vermutlich trank er mit seinen Männern, die ihm lachend von den letzten Überfällen und Plünderungen in König Alfreds Wessex erzählten. Oder er arbeitete mit seinen Ratgebern Strategien für Alfreds endgültige Niederwerfung aus, denn der Sachsenkönig hatte ihm vor einigen Jahren einen Waffenstillstand aufgezwungen, und ihn zugleich genötigt, dem
    Christengott zu huldigen. Ja, falls erforderlich, konnte Guthrum so fromm tun wie einer von Alfreds Bischöfen.
    Cecilia nahm eine in Honig getauchte Mandel. Natürlich stritt Guthrum jede Kenntnis über Plünderungen im Reich König Alfreds vehement ab. Wenn Alfred ihm empörte Botschaften sandte, runzelte er betrübt die Stirn, schüttelte den Kopf, gab seinem höchsten Bedauern Ausdruck und schickte den Boten mit einer Handvoll Silbermünzen auf den Rückweg.
    Cecilia blickte wieder zu den Kindern hinüber. Es war ein ausgesprochen gutaussehender Wikinger namens Orm Ottarsson, der Guthrum den Knaben und das Mädchen gebracht hatte, gemeinsam mit mehr Silbermünzen als Cecilia zählen konnte, als Gegengabe für die Vertreibung einer Sachsenfamilie von fruchtbarem Ackerland am Ufer des Flusses Thurlow, deren Landbesitz dieser Orm sich erbeten hatte. Sie war beeindruckt vom Wuchs und der hochmütigen Haltung des Mannes aus dem Norden. Sie war interessiert, ihn näher kennenzulernen. Aber er hatte York bald wieder verlassen, um nach Norwegen zurückzukehren. Cecilia tröstete sich mit dem Gedanken an seine Wiederkehr. Dann würde sie sehen, wie die Dinge sich entwickelten.
    Sie erhob sich und betrat den kleinen, ummauerten Garten vor ihrem Schlafgemach. Die Steinmauer war sehr hoch, Kletterrosen wuchsen bis oben hin, bedeckt von roten und weißen, duftenden Blüten. In der Mitte des Gartens plätscherte ein kleiner Brunnen, umgeben von einem alten, römischen Mosaik in Form eines Achtecks. Es war gut erhalten und zeigte fremdartige, mit Seetang drapierte Geschöpfe aus dem Meer, die sich mit kraftvollen Kelten paarten. Egill und Lotti spielten am Brunnen, und er redete auf sie ein, wobei er seine Hände benutzte, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. Lotti sah ihn aufmerksam an.
    »Sag es noch einmal, Lotti. Komm, sag es.«
    Lotti gab einige undeutliche Laute von sich, aber Cecilia verstand. Das kleine Mädchen sagte: »Guten Morgen«.
    »Guten Morgen, ihr beiden«, sagte Cecilia munter und ging auf die Kinder zu. Der Junge erbleichte und trat einen Schritt näher an das kleine Mädchen.
    Sie trugen beide weiße Wolltuniken, in der Mitte mit einem hellblauen, geflochtenen Lederband gegürtet. Die Tuniken waren ärmellos und reichten den Kindern bis zu den Knien. An der Kleidung erkannte man sie als Sklaven, doch die edle Qualität des Wolltuchs ließ auch erkennen, daß ihr Herr ein großzügiger Edelmann war. Die Kinder sahen hübsch aus, und das gefiel Cecilia. Das Haar des kleinen Mädchens glänzte rötlich braun, und ihre Augen hatten einen eigenartigen goldenen Schimmer. Sie versprach einmal eine große Schönheit zu werden, und das störte Cecilia nicht im geringsten. Sie verabscheute Häßlichkeit, selbst bei kleinen Sklavenmädchen.
    »Lotti«, sagte Cecilia zu dem Kind, »pflück mir eine rote Rose. Der König wird bald hier sein, und ich möchte mein Haar damit schmücken.« Dabei tätschelte sie ihr volles, braunes Haar.
    Lotti warf Egill einen Blick zu, und er bewegte rasch seine Hände und deutete auf den Rosenstrauch.
    Cecilia bemerkte es nicht. Sie studierte eine kleine Kratzwunde auf ihrem Handrücken, von der sie nicht wußte, woher sie rührte.
    Egill wartete in der Hoffnung, Lotti möge eine rote Rose und keine weiße pflücken. Sie hatten noch keine Zeichen für Farben vereinbart. Er beobachtete sie gespannt.
    Sie brach eine rote Rose, und er atmete erleichtert auf. Er hatte keine Ahnung, was passieren würde, wenn die Frau herausfand, daß Lotti nicht hören und nur sehr wenig sprechen konnte. Lotti reichte Cecilia die Rose und wurde von ihrer Herrin mit einem zerstreuten Tätscheln auf den Kopf belohnt, wie ein Hund, der etwas apportiert hatte.
    Egill empfand für die Frau und ihre lächerliche Eitelkeit nur Verachtung. Was er von König

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