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Im Schatten der Mitternachtssonne

Im Schatten der Mitternachtssonne

Titel: Im Schatten der Mitternachtssonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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wohlwollender Stimmung zu sein. Egill blickte dem König entgegen, dessen Gesicht wie gegerbtes Leder war von einem langen Leben im Freien bei Wind und Wetter; seine Schultern waren leicht gebeugt, sein dichtes, dunkles Haar und sein Bart waren von grauen Strähnen durchzogen. Er trug rote Kleidung, mit kostbaren Goldfäden durchwirkt.
    Lotti starrte den König stumm an. Ihre Hand glitt in Egills Hand. Die Kinder warteten, ängstlich und wachsam.
    König Guthrum nickte ihnen zu, ohne eigentlich auf sie zu achten. Er sprach mit einem zweiten Mann, der wie ein Soldat gekleidet war. Guthrum rief plötzlich: »Bring uns Rheinwein, Junge.«
    Egill wollte nicht fortgehen. Er wollte hören, was die Männer sprachen. Rasch wandte er sich an Lotti und gab ihr durch Zeichen zu verstehen, sie solle die Männer beobachten und versuchen zu verstehen, was sie sagten. Dann entfernte er sich rasch in einen der Vorräume, wo er einen von Cecilias Hausdienern anzutreffen hoffte.
    Aslak, einer der Heerführer des Königs, sprach mit grimmiger Stimme: »Und ich sage Euch, Sire, wir müssen diesem weibischen Gezänk ein Ende machen. Ihr müßt Eure Heere sammeln und Alfred angreifen. Und ich verspreche Euch, die Sachsen laufen kopflos in alle Richtungen davon, wie die Hasen. Der Waffenstillstand mit König Alfred ist ohne Belang. Das habt Ihr selbst oft genug betont.«
    Der König strich sich den Bart. »Ja, es ist wahr. Was schlägst du vor, Aslak?«
    »Ich würde ein Heer direkt nach Chippenham führen, bis vor die Tore des Königspalasts. Wir können im Schutz der Nacht schnell vorwärtskommen und den Vorteil eines Überraschungsangriffs nutzen. Wir nehmen alles Gold und Silber, das wir tragen können. Ihr müßt Alfred zeigen, daß ein Wikinger sich vor keinem Mann beugt, schon gar nicht vor einem Sachsenkönig. Es ist Zeit, ihm den Todesstoß zu versetzen.«
    Guthrum hörte diese hochmütigen Worte gern, denn er selbst hatte ähnliche Worte oftmals gesprochen. Aber er war kein Narr, obgleich die Worte sein Blut in Wallung versetzten. Doch sein Blut war träger geworden, sehr viel träger. »Gib mir Zeit, um darüber nachzudenken, Aslak. Wir gehen ein großes Wagnis damit ein. Alfred ist kein kleiner Lehensherr. Er ist ein kluger Mann und ein tapferer Kämpfer. Ich werde darüber nachdenken.«
    »Eines Tages, Sire, werden wir England beherrschen. Wollt Ihr der Sieger über England sein. Der Herrscher, der alle Zügel in der Hand hält?«
    Der König lachte und blickte auf seine von der Gicht knorrig gewordenen Finger. »Ah, Egill bringt den Wein.«
    Aslak sagte unvermutet: »Der Junge kommt mir bekannt vor. Seine Gesichtszüge erinnern mich an jemand.«
    Guthrum nickte. »Ja, mir kommt er auch irgendwie bekannt vor.« Er krümmte den Finger. »Egill, komm mal her, mein Junge. Ist dein Vater noch am Leben?«
    Egill wußte nicht, was er sagen sollte. Jetzt war der Augenblick gekommen, und er stand stumm und steif da wie ein Dummkopf. Stand Orm beim König in hohem Ansehen? Es schien so, wie Egill aus dem Umgang der beiden Männer miteinander entnommen hatte. Der König glaubte ihn zu kennen. Ob er Magnus Haraldsson kannte? Was hielt er von ihm? Würde Orm dafür Sorge tragen, daß er und Lotti getötet würden, wenn er die Wahrheit sagte? Egill blickte zu Lotti. Er trug die Verantwortung für die Kleine, und wenn ihr etwas zustieß, würde er sich das nie verzeihen. Er hatte sie schon einmal beinahe verloren. Er wollte sie nie wieder verlieren. Er schüttelte den Kopf und sagte: »Nein, Sire, mein Vater ist tot.«
    König Guthrum hatte sich bereits abgewandt. Egills Antwort erreichte seine Ohren nicht mehr. Der Junge seufzte halb erleichtert, halb besorgt.
    Die Männer tranken Wein aus kostbaren Glaskelchen. Guthrum sagte nach einer Weile: »Dein Vorschlag eines Überraschungsangriffs auf Chippenham stammt ursprünglich von mir, Aslak. Ja, und er gefällt mir. Wir haben so etwas schon einmal gewagt und Tod und Verderben über die Sachsen gebracht. Warum soll es nicht wieder gelingen? Sie haben Zeit gehabt, neue Vorräte anzulegen und Reichtümer anzuhäufen. Ein Raubzug würde sich für uns wieder lohnen. Laß mich darüber nachdenken.«
    »Wartet nur nicht zu lange, Sire.«
    »Nein, das werde ich nicht. Ah, da kommt Cecilia.«
    Aslak brummte und starrte sie mit offenkundigem Verlangen an, daß selbst Egill wußte, was seine Blicke bedeuteten.
    Egill blickte Lotti an in der Hoffnung, ihr sei nichts aufgefallen. Sie lächelte, und er

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