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Im Schatten der Mitternachtssonne

Im Schatten der Mitternachtssonne

Titel: Im Schatten der Mitternachtssonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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wir nicht wissen, ob Egill und Lotti noch am Leben sind. Vielleicht hat Orm gelogen. Er macht sich gern auf Kosten anderer lustig. Er sieht auch gern, wenn andere leiden. Wir müssen auf das Schlimmste gefaßt sein, aber wir tragen es gemeinsam.«
    »Die Kinder sind am Leben.«
    »Ich habe zwar diesen Traum gehabt, es wäre aber töricht, fest daran zu glauben.«
    »Die Kinder sind am Leben.«
    Er drückte sie fester an sich, sagte aber nichts mehr. Er war beinahe so sicher wie sie, daß Egill und Lotti lebten, fürchtete jedoch, die Worte auszusprechen, fürchtete, das Schicksal könnte sich irgendwie gegen ihn wenden, wenn er seiner Sache zu sicher wäre.
    Ingunn stand vor Egill in einer Ecke des Gartens, unsicher, was zu tun sei. Die Geliebte des Königs, seine Nichte Cecilia, hatte die beiden achselzuckend alleine gelassen. »Ich verstehe dich nicht«, sagte Ingunn im höchsten Maße verärgert, daß sie ihn am liebsten geohrfeigt hätte. »Ich bin bekommen, um dich zu retten, und du weigerst dich, wegen der kleinen Mißgeburt mit mir zu kommen!«
    »Wo ist Orm Ottarsson? Weiß er, daß du hier bist? Kennt er dein Vorhaben?«
    Ingunn blickte ihren Neffen forschend an. Der Junge hatte sich verändert. Seine Stimme klang beinahe wie die von Magnus — gebieterisch und fest, als sei er daran gewöhnt, Befehle zu erteilen, und sie, eine Frau, habe ihm zu gehorchen. Sie war wütend. Sie wollte ihn retten — bei Thor, sie hatte ihre wertvollste Brosche verkauft, um die nötigen Silbermünzen aufzubringen — und nun führte er sich auf, als sei ihr nicht zu trauen. Dabei war sie von seinem Fleisch! »Das ist unwichtig«, sagte sie. »Du wirst mit mir kommen, und ich bringe dich wohlbehalten nach Malek zurück.«
    »Es ist sogar sehr wichtig«, entgegnete Egill unbeirrt. »Orm Ottarsson hat Lotti und mich entführt. Wir waren beide halbtot. Ich fürchtete, Lotti würde sterben, so viel Wasser hatte sie geschluckt und es literweise erbrochen. Aber er kümmerte sich nicht darum, bis ihm der Gedanke kam, daß er uns für seine Zwecke benutzen könnte. Er brachte uns nach York und machte mit uns ein Tauschgeschäft mit dem König, um das Land zu bekommen, das er haben wollte. Er war sehr stolz auf seine Tat. Wenn du mich zu ihm zurückbringst, wird er sehr wütend sein.«
    »Nein, das wird er nicht. Außerdem wirst du ihn gar nicht zu Gesicht bekommen.«
    »Er haßt meinen Vater. Ich habe gehört, wie er darüber sprach, daß er dafür sorgen werde, daß mein Vater für seinen Stolz und seinen Hochmut bezahlen muß, daß es ihm noch leidtun wird, daß er meine Mutter geheiratet hat. Er prahlte damit, Zarabeth zu entführen und mit ihr zu machen, was er will. Er brüstete sich damit, daß er ihr ein Kind macht und sie zu meinem Vater zurückschickt. Er haßt uns alle, außer dich. Ich verstehe das nicht.«
    »Orms Haß gegen deinen Vater hat nichts mit mir zu tun. Orm liebt mich. Bald bin ich seine Ehefrau. Mehr brauchst du nicht zu verstehen. Komm jetzt, wir müssen fort. Ein Boot wartet auf uns.«
    Egill baute sich breitbeinig vor ihr auf, ballte die Fäuste und lächelte seine Tante standhaft an. »Ich habe dir bereits gesagt, ohne Lotti gehe ich nirgendwo hin. Kaufe sie frei, und wir werden beide mit dir fortgehen.«
    »Dieses verdammte Idiotenkind! Sie ist nichts wert, ein wertloses Sklavenbalg. Du hast sie von Anfang an nicht gemocht! Sie hat dir die Zuneigung deines Vaters gestohlen. Sie kann nicht mal richtig sprechen, gibt nur dieses Lallen von sich. Du kommst jetzt mit mir, Egill. Vergiß sie.«
    Sie packte seinen Arm; der Junge rührte sich nicht von der Stelle. Sie schüttelte ihn, doch er gab nicht nach. Er war stärker geworden. Er war kein kleiner Junge mehr. Ihr Atem ging fauchend, als sie den Zorn in seinen Augen sah, die Augen seines Vaters. Sein Blick war kalt und voller Eigensinn.
    »Du hast meinen Vater verraten. Du hast auch Zarabeth verraten. Du hast sie gequält und ausgepeitscht, dabei hatte sie dir nichts getan. Ist sie hier? Hat Orm auch sie entführt?«
    Ingunn trat einen Schritt zurück. »Nein, du dummer Junge! Das Luder lebt in Saus und Braus auf Malek. Malek gehört nun ihr! Sie ist mit deinem Vater verheiratet! Wie gefällt dir das — jetzt ist sie deine Mutter! Bei allen Göttern, sie ist am Ziel ihrer Wünsche!« Ingunn rieb sich die Stirn. »Ich war eine törichte Närrin, hierher zu kommen, mein Leben für deine Rettung aufs Spiel zu setzen. Du undankbarer, ungezogener Bengel. Wenn Orm

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