Im Schatten der Mitternachtssonne
Sie hatte es Keith eines Nachts im Rausch gestanden. Er hat sie dafür zu Tode geprügelt.«
Zarabeth rückte näher an Magnus heran. Er spürte ihr Zittern, ihr Entsetzen über die Gefühlskälte des Königs.
»Keith sagte, sie sei ein zänkisches Weib, voller Neid und Mißgunst. Er sagte, sie habe verdient, durch seine Hand zu sterben, denn als ihr Ehemann sei er teilweise für ihre Untat verantwortlich.« Guthrum nickte würdevoll, im vollen Bewußtsein seiner Güte und Weisheit. »Ich habe ihm zugestimmt und mit mir der Rat von York. Sein Handelsgeschäft blüht neuerdings, und er hat Ansehen gewonnen. Er wird seinem Vater jeden Tag ähnlicher. Er stolziert herum, mit Silber und Goldketten behangen, an jedem Finger einen kostbaren Ring. Und er trägt nur die feinsten Kleider. Er hat sich eine neue Frau genommen, ein hübsches Mädchen von vierzehn Jahren; sie wird ihm viele Söhne gebären. Er hat mir reiche Geschenke gebracht.«
Schicksal, dachte Magnus wieder. Seine Wege blieben Magnus und allen anderen Menschen verschlossen. Er nahm Zarabeths Hand, während der König weitersprach mit dem Gebaren eines Herrschers, der Gerechtigkeit walten ließ. »Ich hatte vergessen, daß Olav der Eitle bestimmte, daß du nach seinem Tod seinen gesamten Besitz erben sollst. Da du an seinem Tod unschuldig bist, hast du Anspruch auf eine Entschädigung.«
»Ja, das halte ich für gerecht, Sire«, sagte sie und blickte ihren Ehemann mit einem Lächeln an. »Ich hätte gern die Münzen wieder, die Magnus an Keith in Danegeld für den Tod seines Vaters bezahlt hat.«
»Du wirst sie bekommen.«
»Sire, wir wollen meinen Sohn und Zarabeths Schwester abholen. Wenn meine Schwester Ingunn den Jungen fortgebracht hat, muß ich wissen, wo ich Orm Ottarsson finde, denn sie ist mit großer Wahrscheinlichkeit zu ihm gegangen.«
Der König schwieg lange. Dann sagte er bedächtig: »Wenn das kleine Mädchen noch bei meiner Nichte ist, werde ich sie dir aushändigen, denn Ingunn Haraldsson hat mir reichlich Gold für den Jungen gegeben. Orm Ottarsson findest du am Nordufer des Flusses Thurlow. Dort lebt er auf einem Gehöft namens Skelder, das etwa drei Hektar groß ist. Er ist ein guter Lehnsmann, der mir seine Kampfkraft zur Verfügung stellt und pünktlich seine Abgaben bezahlt.«
Der König blickte Magnus forschend ins Gesicht, doch der nickte nur lächelnd. Seine Stimme war ohne Ausdruck. »Orm hat viele Talente, Sire. Meine Frau und ich danken Euch für Eure Güte und Großherzigkeit. Wir bleiben Euch in Treue verbunden.«
Magnus blickte seinen Landsmann an, der Besitzer des Boots Wasserpfad. Grim Audunsson war ein Riese, rauh und brutal; der stärkste Mann, mit dem Magnus je einen Ringkampf ausgetragen hatte. Bislang hatte er drei Kämpfe gegen ihn verloren. Grim war außerdem verschlagen und habgierig und mit geringem Verstand gesegnet. Grim spuckte und schüttelte seinen struppigen Blondschopf. Die beiden Männer standen auf dem Steg im Hafen neben Wasserpfad, der Geruch, den der Wind vom Hafenbecken hereintrug, zog in ihre Nasen.
»Ja, Orm war hier, und er war voll Zorn wie der weiße Tod. Er hat nicht versucht, seinen Zorn vor mir zu verbergen. Früher hat er seinen Zorn verborgen. Möglicherweise war er als junger Mann auch nicht so zornig. Doch jetzt ist er zum Berserker geworden, Magnus. Seine Augen funkelten wie glühende Kohlen, ständig ballte er die Fäuste, als wolle er alles umbringen, was sich ihm in den Weg stellt. Er war wie ein wildes Tier. Nein, er ist gefährlicher als ein Berserker, weil sein Zorn durch ein Lächeln, ein spöttisches Wort entfacht werden kann. Er ist völlig unberechenbar. Er spricht ganz ruhig mit dir, und im nächsten Moment schlitzt er dir die Kehle auf. Ja, ich habe ihm die Frau und die Kinder ausgehändigt. Was hätte ich tun sollen?« Grim schüttelte den Kopf und spuckte ins Wasser. »Ich vermute, er bringt die Frau um. Er sah ganz danach aus, das kann ich dir sagen.«
»Die Frau ist meine Schwester Ingunn. Die Kinder gehören zu mir. Orm hat sie entführt, gefangengenommen und mein Anwesen in Brand gesetzt.«
Grims Augen verengten sich. Achselzuckend meinte er: »Das ist bedauerlich. Aber was hätte ich tun können?«
»Du hättest ihn töten können. Du bist der stärkste Mann, den ich kenne.« Magnus begutachtete das Muskelspiel des Riesen. »Oder zehrt bereits das Alter an dir, Grim?«
Grims Gesicht verzog sich zu einem Grinsen, wobei eine breite Lücke zwischen seinen
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