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Im Schatten der Mitternachtssonne

Im Schatten der Mitternachtssonne

Titel: Im Schatten der Mitternachtssonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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Vorderzähnen sichtbar wurde. »Ich könnte ihm mit einer Hand den Hals brechen, das ist wohl wahr. Aber er hat mich bezahlt. Magnus, er hat mir zehn Silberstücke gegeben. Die Frau hatte mir bereits Silbermünzen gegeben, um den Jungen nach Malek zurückzubringen. Jetzt bin ich reich genug, um meiner Frau eine neue Brosche zu kaufen. Sie ist ein anspruchsvolles Weib. Ich habe sie aus einem Dorf im Rheinland geholt. Sie lief von mir fort, aber ich habe sie eingefangen, und sie mir über die Schulter geworfen. Vor sechs Wochen habe ich sie geheiratet. Sie hat schönes schwarzes Haar, wie ich es noch nie zuvor gesehen habe. Und ihre Augen sind wie Kohlen, und erst ihr süßes, weiches Nest zwischen den Schenkeln ... Ich denke an den Goldschmied hier in York, den alten Gunliek. Was meinst du dazu, Magnus?«
    »Ich meine, daß ich dich töten werde.«
    Grim lachte, ein wenig unsicher und verschlagen. Magnus wußte, Grim hatte sich innerlich auf Kampf eingestellt. Er war kein Narr. Er spürte Zarabeths Hand, die sich leicht auf seinen Rücken legte. Ein Ringkampf mit Grim würde ihn jetzt nicht weiterbringen. Zarabeth war eine kluge Frau. Außer ein paar gebrochenen Rippen und eingeschlagenen Zähnen würde ihm diese Auseinandersetzung nichts einbringen. Er hatte Wichtigeres zu tun.
    »Hat Orm gesagt, daß er auf seinen Hof zurückkehrt?«
    »Ja. Er sagte, er müsse Vorbereitungen treffen. Er erwarte Besuch auf Skelder, und er wollte dem Besucher ein standesgemäßes Willkommen bereiten.«
    Magnus nickte und wandte sich zum Gehen. Über die Schulter sagte er: »Ich würde nicht zum alten Gunliek gehen. Er betrügt dich mit dem Goldgewicht. Geh zu Ingolf auf dem Micklegate.«
    Er nahm Zarabeths Arm.
    »Orm weiß, daß wir hier sind. Er weiß, daß du kommen wirst.«
    »Ja, er weiß es.« Er drückte sie an sich. »Wir müssen jetzt vorsichtig sein, Zarabeth. Alles hängt davon ab, wie geschickt wir vorgehen.«
    »Wenn nur Ingunn Egill und Lotti in Frieden gelassen hätte! Hätte sie sich doch bloß nicht eingemischt! Wir könnten die Kinder jetzt schon in die Arme schließen.«
    »Allem Anschein nach hat meine Schwester endlich begriffen, was sie angerichtet hat. Sie versuchte, die Kinder zu retten, sogar Lotti... Und ihre eigene Haut dazu, wie mir scheint.« Er sah seiner Frau in die Augen und sagte: »Du sprichst kluge Worte. Trotzdem haben wir Orm immer noch nicht in den Fingern. Und ich werde ihn in die Finger bekommen, Zarabeth.«
    Ingunn konnte sich nicht bewegen. Sie hatte zweimal versucht, sich zu bewegen, doch der Schmerz war so groß, daß sie beinahe wieder das Bewußtsein verloren hätte. Sie lag auf dem Lehmboden, die Kälte kroch durch ihr dünnes Hemd, ihr zerschundenes, blaugeschlagenes Fleisch zuckte, ihr Gesicht lag auf der kalten Erde. Mehrere Rippen und ihr linker Arm waren gebrochen. Ihr Gesicht mußte total verschwollen sein, er hatte sie mehrmals mit der Faust geschlagen. Sie schmeckte Blut und Tränen in ihrem Mund.
    Und Egill hatte versucht, sie zu beschützen. Bei Thor, er war wie sein Vater.
    Sie wimmerte leise. Alles, was sie gemacht hatte, war falsch. Sie war schwach und boshaft und blind gewesen, und nun würde sie hier alleine sterben, eingesperrt in dieser stinkenden Hütte. Und Egill würde ebenfalls sterben. Oder Orm würde ihn als Sklaven weiter verkaufen, ihn und Lotti.
    Sie hatte gesehen, wie sehr der Junge das kleine Mädchen liebte, wie er es beschützte, ihr alles mitteilte, seine Gedanken, seine Eindrücke. Sie verstanden einander besser als Geschwister. Und dann dachte sie über sich selbst nach, wie sehr sie das Kind haßte, weil es Zarabeth gehörte. Sie haßte Zarabeth und wollte alles zerstören, was ihr gehörte. Das war der Grund, warum sie zurück in den Palast geeilt war, um beide Kinder auf Grims Boot zu bringen.
    Sie mußte ihre Untaten wiedergutmachen. Sie mußte etwas richtig machen, etwas Gutes tun, etwas Versöhnliches.
    Orm hatte auf sie gewartet. Sie war nicht sonderlich erstaunt, als er breitbeinig auf dem Steg stand, sie mit kalten, dumpfen Augen anstarrte. Die Erinnerung verursachte ihr Übelkeit. Die Galle kam ihr hoch, sie erbrach die bittere gelbe Flüssigkeit. Er hatte sie nicht angefaßt, bis sie nach Skelder zurückgekehrt waren, dem Gehöft, das er der Sachsenfamilie gestohlen hatte, mit König Guthrums Segen.
    Ihre Niederlage schmeckte bitterer als Galle. Sie versuchte, sich wieder aufzurappeln, doch als sie versuchte, sich auf dem Ellbogen abzustützen,

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