Im Schatten der Mitternachtssonne
Haraldsson auf der Seewind gekommen seid?«
Sie nickte, argwöhnisch geworden, ohne zu begreifen, was der Fremde wollte.
»Er ist ein Narr.« Der Mann streckte seine Hand aus und strich sanft über eine ihrer feuchten Haarlocken. Sie wich langsam zurück. Er lächelte immer noch. »Du bist schön.« Dann berührte er ihren Arm und riß sie plötzlich an sich, daß sie das Gleichgewicht verlor. »Er ist ein Narr, dich hier ohne Schutz zu lassen. Ja, du bist sehr schön.« Wieder berührte er ihr Haar und wand sich eine kräftige Locke um die Faust. Sie sah den Hunger in seinen Augen und wußte Bescheid. »Eine solche Farbe habe ich nie zuvor gesehen. Und diese Augen — ein Grün, von dem ein Mann nur träumen kann. Ich will dich haben. Komm mit mir, und ich befreie dich von diesem Magnus. Er ist ein grausamer Mann, das wissen alle, ein wilder Normanne, der keine Ahnung hat von den geheimen Wünschen eines süßen und sanften Geschöpfes, wie du es bist. Er wird dir nur wehtun, vielleicht bringt er dich sogar um, wenn er dich verprügelt. Komm mit mir, schnell. Ich sorge für dich, behandle dich wie eine Königin. Komm schnell, komm!«
»Geh weg und laß mich zufrieden!«
»Hab keine Angst vor mir. Ich würde nie einer solchen Schönheit etwas zuleide tun. Man sagt, du bist seine Sklavin. Du wärst eine Närrin, wenn du bei ihm bleibst. Komm mit mir.«
Blitzschnell beugte er sich über sie, riß ihr den Kopf an den Haaren zurück und küßte sie hart auf den Mund.
Kurz darauf hörte sie einen wütenden Aufschrei. Er kam von Magnus. Im nächsten Augenblick wurde der Mann von ihr weggerissen. Von Magnus' Faustschlag getroffen taumelte er rückwärts und stürzte zu Boden.
Magnus stand über ihm mit einem Messer in der Hand. »Du wagst es, etwas anzufassen, was mir gehört, du feiger Hund?«
Der Mann rieb sich die Backe und rappelte sich auf. Verärgert hob er die Schultern und sagte abfällig: »Die Frau hat mir schöne Augen gemacht, mich zu sich gewinkt und schöne Worte zu mir gesagt. Würdet Ihr Euch nicht nehmen, was eine Dirne Euch anbietet?«
Zarabeth schüttelte den Kopf und schrie gellend: »Er lügt! Er . . .«
»Halt den Mund!« Magnus wandte sich wieder dem Mann zu, fletschte ihn mit verengten Augen an: »Geh mir aus dem Weg, sonst schlitz ich dir die Kehle auf.«
Der Mann warf Zarabeth ein bedauerndes Lächeln zu und machte sich eilig aus dem Staub. »Er lügt, Magnus«, sagte sie wütend. »Er lügt! Er kam zu uns herüber und redete freundlich mit mir. Und plötzlich packte er mich an den Haaren und verlangte, ich solle mit ihm gehen. Ich sagte, er solle mich in Frieden lassen, ich schwöre es.«
»Genug!« befahl er barsch. »Wie konnte ich bloß denken, ich könne dir auch nur einen Augenblick trauen! Du verfluchte Schlampe! Ich weiß, was du brauchst. Komm!«
Er packte ihren Arm und zog sie hinter sich her. Lotti lief neben ihr her, sich an ihren Rock festklammernd. Er zerrte sie an etwa einem Dutzend Hütten vorbei bis zum Schmied. Dort stieß er sie ins Innere.
Sie wußte nicht, was er mit ihr vorhatte. »Was tun wir hier?«
»Du bist eine Sklavin und es ist Zeit, daß du das Zeichen trägst.«
Dann wußte sie Bescheid. »Nein, bitte Magnus.«
Er achtete nicht auf sie und sprach mit dem Schmied.
Bei Sonnenuntergang ging Zarabeth neben Magnus zurück zur Seewind. Er trug Lotti auf dem Arm.
Um ihren Hals lag das Eisenband der Sklaven.
13
Als die Seewind die steife Brise vor dem Oslofjord aufnahm und in den Viksfjord abdrehte, der am Gravaktal endete, der Heimat der Familie Haraldsson, jubelten die Männer. Neugierig lugte Zarabeth aus ihrem Verschlag hervor. Die Männer saßen auf ihren Seekisten, die Ruder angelegt, da der Wind das riesige rot und weiß gestreifte Segel kräftig blähte. Ihr Blick traf den von Ragnar, den sie geschlagen hatte, um aus York zu entfliehen.
Sie zwang sich, der unverhohlenen Feindseligkeit in seinen Augen standzuhalten.
»Was willst du, Sklavin?« fragte Ragnar und trat einen Schritt auf sie zu. Seine Augen waren auf das Eisenband um ihren Hals fixiert.
»Ich wollte nur wissen, warum die Männer sich so freuen.«
»Wir nähern uns der Heimat. Noch einen halben Tag, und wir haben es geschafft. Dann beginnt dein Leben als Wikinger-Sklavin. Es wird dir nicht gefallen, und ich werde mich an deinem Unglück freuen. Der Sklavenkragen steht dir gut.«
»Was geht hier vor, Ragnar?«
Zarabeth wunderte sich über den Argwohn in Magnus Stimme. Mißtraute er
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