Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Schatten der Mitternachtssonne

Im Schatten der Mitternachtssonne

Titel: Im Schatten der Mitternachtssonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
Vom Netzwerk:
ihr zu: »Nimm Lotti auf den Arm und folge mir.«
    Bald hatte sie festen Boden unter den Füßen, und Lotti blickte mit großen Augen auf die eilig dahinhastende Menschenmenge. Magnus und seine Leute wurden ehrerbietig gegrüßt. Doch der Wikinger hielt sich bei niemandem auf. An Zarabeth gewandt befahl er knapp: »Halte dich dicht hinter mir und trödle nicht. Ich habe keine Zeit mit dir zu verlieren.«
    Sie folgte ihm, neugierig die neue Umgebung musternd. Sie sah Sklaven, die Lasten auf ihren Rücken schleppten; Frauen, die Wasser in Holzeimern von einem Brunnen in der Mitte eines Platzes trugen. Stämmige Händler boten ihre Waren vor ihren Läden an. Ein Runenmeister trieb magische Zeichen in ein Bronzegefäß;
    ein Schmied hämmerte vor seiner Werkstatt an einem Schwert. An einer Holzhütte blieb Magnus schließlich stehen, vor der eine alte Frau kauerte, die Zarabeth mit zahnlosem Mund anlächelte. »Das ist eine Badehütte«, sagte Magnus. »Wasch dich und Lotti gründlich. Ich bin bald zurück. Und rühr dich hinterher nicht von der Stelle.«
    Wohin hätte sie wohl gehen sollen. Sie nickte nur und folgte der alten Frau in die Hütte. Das Innere war in heißen Wasserdampf gehüllt. In der Mitte stand ein großer Holzzuber, mit breiten Eisenbändern beschlagen, in dem zwei Leute Platz gefunden hätten. Die Frau händigte Zarabeth ein großes Stück Seife aus und ging. Am Eingang sagte sie über die Schulter: »Dein Gemahl holt frische Kleider von seinem Boot.«
    Mein Gemahl. Sie nickte nur. Dann wusch und schrubbte sie Lotti mit solcher Hingabe, daß die Kleine sich irgendwann ihrem Zugriff entzog. Sie wickelte das Kind in ein großes Leinentuch und setzte es auf die geflochtene Matte, die in einer Ecke der Hütte lag, nahm ihr kleines Gesicht in die Hände und sagte langsam: »Mach dich nicht wieder schmutzig, mein Liebling. Ich bin gleich bei dir.«
    Zarabeth saß mit geschlossenen Augen im Zuber und legte den Kopf in den Nacken. Plötzlich riß sie die Augen auf, etwas hatte sich verändert. Magnus stand über ihr und starrte sie an, mit diesem eigentümlichen Ausdruck im Gesicht. Ihre Hände flogen hoch, um ihre Brüste zu bedecken, doch ihr nasses Haar schützte sie vor seinen zudringlichen Blicken.
    »Ich habe euch beiden saubere Sachen zum Anziehen gebracht.«
    Dann kauerte er neben Lotti, die ihn mit wachsamen Augen ansah. Lächelnd holte er einen Hornkamm aus seiner Tunika. Behutsam und mit großer Geduld kämmte Magnus ihr das Haar. Lottis Gesicht entspannte sich bald, und wenn er sie unsanft ziepte, schlug sie ihm mit ihrer kleinen Faust gegen die Brust. Magnus lachte und sagte ihr, sie soll stillhalten und kämmte sie geduldig, bis ihr das Haar seidig glänzend über die Schulter fiel. Dann stand er auf. »Ich muß jetzt gehen. Zöpfe kannst du ihr flechten.«
    Zarabeth blickte noch lange zur Tür, nachdem er verschwunden war. Dieser Mann gab ihr Rätsel auf.
    Es dauerte ziemlich lang, bis sie sich angezogen und gekämmt hatte. Ihr Magen begann zu knurren. Am Morgen hatte sie nur einen Streifen gesalzenes Trockenfleisch gegessen. Sie nahm Lotti bei der Hand und trat mit ihr aus der Hütte.
    Das emsige Treiben war nicht weniger geworden. Die Menschen hasteten umher oder standen schwatzend und lachend in Gruppen beisammen. Von ferne hörte sie Gesänge.
    Die alte Frau war nirgends zu sehen. Die Sonne wärmte noch immer, und Zarabeth ließ sich auf einer Matte vor der Tür nieder und nahm Lotti auf ihren Schoß.
    Sie bemerkte den kräftig gebauten, dunkelhaarigen Mann nicht sofort, der sich ihr näherte. Dann fiel ihr sein Lächeln auf. Dankbarkeit über ein freundliches Gesicht stieg in ihr auf, und sie erwiderte sein Lächeln.
    »Guten Tag, Herrin«, grüßte er, als er nahe genug war. »Genießt Ihr mit Eurer Tochter die Sonne?«
    »Ja. Nach einem erfrischenden Bad.« Sie wies ins Innere der Hütte. »Wir waren beide ziemlich schmutzig.«
    »Jetzt nicht mehr«, sagte er und stand plötzlich zu nah. Zarabeth hob Lotti von ihrem Schoß, stand eilig auf und hielt das Kind eng an sich gedrückt.
    »Nein.« Sie bemühte sich immer noch zu lächeln. »Jetzt nicht mehr.« Es gab gewiß keinen Grund, sich vor diesem Mann zu fürchten. Es waren Dutzende von Menschen in der Nähe. Er wollte nur nett zu ihr sein. »Ich bin zum ersten Mal in Hedeby. Hier gibt es viel mehr Leute als in York.«
    Sein Lächeln wirkte irgendwie eingefroren, er achtete nicht auf ihre Worte. »Stimmt es, daß Ihr mit Magnus

Weitere Kostenlose Bücher