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Im Schatten der Schlange

Im Schatten der Schlange

Titel: Im Schatten der Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugh Walker
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dieser langen Zeit der Entbehrungen, war ein kleines Risiko wert.
    Dennoch machte er einen letzten Versuch. »Wirst du nicht deine Pflichten als Wächter der Schlange vernachlässigen müssen, wenn uns soviel deiner Aufmerksamkeit gilt?«
    »Ich habe meine Beobachter, deren Augen besser sind als die meinen. Ich erwarte vor dem Morgen niemanden mehr.«
    »Gut denn!« rief O’Braenn mit vorgetäuschter Fröhlichkeit. »Wir wollen diese großherzige Einladung annehmen!«
    Seine Männer stimmten begeistert zu. Die Begeisterung klang echter, als ihm lieb war. Er konnte nur hoffen, daß die angekündigten Tafelfreuden nicht ihre Wachsamkeit trübten.
    Sie stiegen von den Pferden, und O’Braenn ließ drei seiner Männer als Wachen bei ihnen zurück. Sie murrten, aber er versprach, sie bald abzulösen.
    Er war nicht sicher, ob der Priester bemerkt hatte, daß die Gefangenen immer noch ihre Waffen trugen. So gab er seinen Männern Anweisung, den Lorvanern unauffällig die Waffen abzunehmen. Nur Nottr ließ er die Klinge. Der Priester hatte Nottr immer wieder ausführlich gemustert, daß ihm wohl auch das Schwert aufgefallen sein mußte. Dilvoog befahl er an seine Seite, ebenso Thonensen. Beide waren keine Lorvaner, und er konnte sie glaubhaft genug als seine persönlichen Berater ausgeben.
    Es war früher Nachmittag. Die Sonne brannte heiß herab. Außer dem Waldrand und dem wogenden Gras war nichts zu sehen. O’Braenn begann sich zu fragen, wo das Haus des Priesters wohl stand.
    Sie brauchten nicht weit zu gehen. Wie ein Ungeheuer aus einer anderen Welt ragte es plötzlich vor ihnen auf. Von einem Atemzug zum anderen.
*
    O’Braenn und seine Männer duckten sich unwillkürlich, nur Dilvoog starrte interessiert auf das gewaltige Steingebilde, das mehr ein Monument denn ein Haus war.
    Es war der Oberkörper eines menschenähnlichen Wesens, eine Skulptur von solcher Vollkommenheit, wie nur die Magie die Natur nachahmen konnte. Sie wuchs scheinbar aus der Erde mit solcher Riesenhaftigkeit, daß vier Dutzend Männer mit ausgebreiteten Armen ihren Leib nicht zu umspannen vermocht hätten.
    Es war eine Zwittergestalt mit einer gewaltigen weiblichen Brust an nur einer Körperhälfte. Die mächtigen Arme lagen an den Seiten des Körpers. Der Kopf funkelte im Sonnenlicht. Die Männer mußten sich weit nach hinten beugen, um ihn zu sehen. Ungeheuerlich war dieser Kopf, ein menschlicher Schädel mit dem zahnbewehrten Rachen eines Fisches und den schillernden Augen eines Insekts. Trotz seiner unmenschlichen Grimmigkeit war es, als ob dieses Gesicht vor boshaftem Lachen verzerrt wäre.
    Die Menschen schauderten – mit Ausnahme Dilvoogs, aber selbst weise Männer wären sich nicht einig darüber gewesen, ob Dilvoog ein Mensch war.
    »Das ist Tarthuum, wie ich ihn in meinen Träumen sehe«, erklärte der Priester stolz. »Es ist sein Ebenbild, und kein anderer Gott der Finsternis besitzt solch ein Bildnis auf der Welt… nach seinem Willen geschaffen. Es ist Altar und Tempel und Statue in einem. Er liebt es, denn er beehrt mich oft mit seinem Besuch. Aber kommt! Die der Finsternis ergeben sind, haben nichts zu befürchten. Ihr braucht auch um Eure Mannen nicht zu bangen, hoher Herr, wenn Tarthuum ein Opfer fordern sollte für all das Leben, das ich in sein Haus bringe. Ich habe selbst Gefangene, wenn ich auch ein wenig sparsam mit ihnen umgehen muß. Es gehen nicht mehr viele in meine Fallen… wahrscheinlich, weil es nicht mehr viele gibt… aber ich schwatze zuviel. Folgt mir, Ritter O’Braenn… folgt mir!« Er wandte sich um. »Wenn es nur Ehrfurcht ist, die Euch erstarren läßt…«
    O’Braenn fing sich rasch. »Es ist ein Meisterwerk«, sagte er bewundernd, und er war nicht mehr sicher, ob nicht tatsächlich ein Teil in ihm diesen Wahnsinn bewunderte. Aber ein anderer Teil fragte voll instinktiver Furcht, ob es aus diesem Koloß für sie je wieder einen Weg zurück gab.
    Aber es blieb keine Zeit mehr zu grübeln und zu zögern. Eine steinerne Tür öffnete sich vor dem Priester an der Rückseite des Koloß. Barynnen schritt voran und wartete im düsteren Innern, während sich die Dämonisierten am Eingang postierten.
    Es war ein gespenstischer Augenblick, der selbst den tapfersten der Schar eisige Schauer den Rücken hinabjagte. Der Drang, umzukehren und zu rennen, war fast übermächtig.
    Das Innere war ein einziger großer Raum, dessen Decke in der Düsternis nicht zu sehen war, was den Eindruck von großer Weite vermittelte

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