Im Schatten der Schlange
des Priesters.«
Nottr und seine Viererschaft drängten sich um ihn herum und richteten sich hoch auf auf ihren Pferden, während der Magier die nackten Arme hochstreckte und in die Nebelschwaden tauchte. Während die Schwaden vor den übrigen Reitern zur Seite wirbelten, als wären sie ganz gewöhnlicher Rauch, umgaben sie Thonensens Arme wie ein dunkles Schleiergewand. Er verbarg sie schließlich in den weiten Falten seines Umhangs. Nur die Faust, die die Zügel hielt, zeigte die verräterische Schwärze. Erst als einige der Männer ihn erschrocken anstarrten, wurde ihm bewußt, daß wohl auch die Haut seines Gesichts die Kraft angezogen hatte. Er fluchte unterdrückt zu seinen ugalienischen Göttern, dann zog er die Kapuze seines Umhangs tief ins Gesicht. Er wußte keinen Weg, die Kraft wieder loszuwerden, außer sie zu verbrauchen. Doch das wäre nicht weniger verräterisch gewesen – und eine Vergeudung, denn Thonensen konnte von der Kraft nur nehmen, wenn sie da war. Er besaß nicht das Wissen und die Macht, sie zu beschwören.
Das vermochten nur jene, die an die Finsternis gekettet waren.
Auch O’Braenn war besorgt. Wenn der Priester erkannte, daß Thonensen die Kraft benutzen konnte, war es das Ende seines Planes, die Gefährten als Gefangene nach Caer zu bringen. So gruppierte er seine Männer dichter um den Magier. Er wußte nicht, was Thonensen mit der Kraft alles vermochte, aber er hoffte, daß er erfolgreich war, wenn es zum Kampf kam. Immerhin hatten diese Männer bereits Dämonen und Priester vernichtet. Es war ein beruhigender Gedanke.
Aber es war zu früh, jetzt schon kämpfen zu müssen. Es war ein weiter Weg bis ins Herz der Schlange.
Als sie tief im steinernen Wald waren, sahen sie, daß die Öffnung sich hinter ihnen wieder schloß. Aus dem Rauch wurden Bäume und Sträucher. Der Weg zurück war ihnen verwehrt. Für die meisten Männer war es ein beklemmendes Gefühl zu sehen, wie sich diese magische Tür schloß.
Der Priester sah sich häufig um, und sein Blick fiel dabei immer wieder auf Nottr.
Sie ritten nicht lange. Bald schon veränderten sich die Bäume, verloren da und dort ihre graue Farbe, wurden braun und schließlich grün. Der Boden war nicht mehr Stein und Staub, sondern weiche Erde.
Auch dieser Wald endete nach kurzer Zeit. Vor ihnen lag eine Ebene von hüfthohem Heidegras, das im Wind wie die Dünung eines gelbgrünen Meeres aussah. Aber der Wind, der darüberstrich, führte keine Geräusche von Leben mit sich.
»Laßt Eure Pferde hier, hoher Herr«, sagte Barynnen. »Es ist gutes Futter. Da ist auch ein Tümpel weiter hinten. Die Tiere werden ihn finden. Und dann folgt mir mit Euren Leuten in die Heimstatt, die Tarthuum geschaffen hat.«
»Wir haben nicht viel Zeit, Priester«, wandte O’Braenn rasch ein. »Zudem sind wir eine beachtliche Schar und wollen deiner Gastfreundschaft nicht zumuten…«
»Mir und den Meinen wird es ein besonderes Vergnügen sein, so hohe und wichtige Gäste zu bewirten…«
»Wir nehmen dein Angebot gerne an… auf dem Rückweg«, sagte O’Braenn bestimmt.
Der Priester verbeugte sich mit bedauernder Miene. »Verzeiht einem einsamen Wächter der Schlange, der nach Gesellschaft dürstet. Es ist lange her, daß Männer mir von draußen berichteten. Und es gibt viele Gefahren, die Ihr kennen solltet, wenn Ihr den Weg zur Küste nehmt. Ich könnte Euch darüber berichten. Meine Jagd war gut in diesen Tagen. Meine Kammern sind voll. Ich würde Euch Vorräte mit auf den Weg geben… eine Entscheidung, die der Allerhöchste sicherlich gutheißen würde, was denkt Ihr? Und wie denken Eure Krieger, hoher Herr? Können sie nicht ein wenig Rast und lang entbehrte Genüsse vertragen?«
Die Männer blickten unsicher auf O’Braenn. In ihren Blicken war zu lesen, daß sie nicht abgeneigt wären. Nottr und Urgat starrten ihn warnend an. Er hätte sich gerne mit ihnen beraten. Er wußte, daß es vermutlich eine Falle war. Aber es erschien ihm besser, mit wachsamen Augen in eine Falle zu gehen, auf die er vorbereitet war, als später in eine zu tappen. Barynnen sah nicht aus wie einer, der nachgibt. Er hatte etwas vor. Aber es war schwer zu erraten, was in seinem Priesterschädel vorging. Es war nicht einmal zu erkennen, ob er O’Braenns Worten Glauben schenkte. Es war besser, ihn bei Laune zu halten, so lange es möglich war, um keinen Verdacht zu erregen. Vielleicht erfuhren sie auch ein paar nützliche Dinge. Und einmal wieder reichlich tafeln nach
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