Im Schatten der Schlange
Falle«, entgegnete Urgat heftig. »Und die Caer sind dabei, voll hineinzutappen…!«
»Sie haben Erfahrungen mit der Finsternis gesammelt an O’Braenns Seite, vergiß das nicht. Und O’Braenn war sehr erfolgreich. Selbst wenn seine Männer blind sein sollten, er ist es bestimmt nicht…«
»Ein wenig Gift genügt, und der Priester kann sie alle noch an der Tafel erschlagen…!«
»Wenn er Opfer für sein Ungeheuer braucht, wird er keinen von uns töten. An Toten haben die Dämonen nicht viel Freude, und an Priestern, die ihnen Tote auf den Altar legen noch weniger. Nein. An den Tod brauchen wir nicht so rasch zu denken. Aber daß wir da unten auf dem Altar enden, ist eine Möglichkeit, die wir ins Auge fassen sollten.«
»Und was tun wir dagegen?« brummte Baragg.
»Erst einmal abwarten und uns gründlich umsehen. Thonensen wird uns nicht vergessen. Er hat Kraft gesammelt…«
»Er weiß nicht viel damit anzufangen«, warf Lella ein.
»Wenn sie ihn in die Enge treiben, wird ihm schon etwas einfallen«, erwiderte Nottr zuversichtlich. »Und dann ist da Dilvoog, vielleicht der stärkste unserer Freunde, auch wenn keiner von uns vorhersehen kann, was er tun wird. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Priester erkennen muß, daß er uns gewaltig unterschätzt hat.«
Die Lorvaner sahen sich in ihrem Gefängnis gründlich um, doch außer Stein gab es nichts. Die Wände waren glatt und fugenlos, als bestünden sie aus einem Block. Das war nicht das Werk von Menschenhand. Die Finsternis selbst hatte sich hier unter Barynnens dirigierenden Händen ihr Monument geschaffen. Eine Reihe von schmalen Schlitzen ließ das Tageslicht ein, was den Raum genug erhellte, daß man die Wände sehen konnte. Geräusche drangen keine durch den Stein.
Calutt hatte sich niedergelassen. Er kaute ein trockenes Opisblatt und war bald aus der Wirklichkeit entschwunden.
Die übrigen hockten sich um ihn und beobachteten ihn stumm. Nottr bedachte Seelenwind mit beschwörenden Gedanken, aber es blieb so leblos, als hätte Horcan seine Seelen längst zurückgerufen.
Urgat saß mit verlorenem Gesichtsausdruck.
»Mon’Kavaer?« fragte Nottr.
Urgat schüttelte den Kopf. »Kein Zeichen.«
»Kannst du ihn… rufen?«
»Manchmal… aber manchmal ist er nicht allein. Es sind noch andere in mir. Dann antwortet er nicht. Ich glaube, er will ihnen nicht zeigen, wie er Gewalt über mich bekommt…«
»Sag es mir, wenn er bereit ist.«
Urgat nickte zustimmend. Kellet, Urgats Flankenbruder, der aufmerksam zugehört hatte, sagte: »Khars und ich, und ich glaube auch Krot und Arel hier, wir spüren sie manchmal auch in uns. Wir waren damals dabei in diesem Tempel der Zeit…«
»Ich weiß.«
»Wenn…« Er zögerte, aber die anderen nickten. »Wenn du ihre Dienste brauchst, würden wir sie rufen, wie Urgat diesen Mon’Kavaer.«
»Habt ihr das schon einmal getan?« fragte Nottr.
»Nein.« Die Männer schüttelten die Köpfe.
»Hatten sie nie Gewalt über euch?«
»Vielleicht in unseren Träumen, aber nicht, solange wir bei Verstand waren.« Die anderen nickten zustimmend.
»Wißt ihr, wer sie sind?«
»Nein…«
»So laßt sie ruhen, solange ihr könnt. Ringt sie nieder. Versteckt sie tief in euch. Aber laßt es mich sofort wissen, wenn es anders kommt. Beobachtet euch. Wir wissen nicht, wer alle diese Menschen waren, die im Tempel der Zeit ihre Körper verloren. Aber jetzt ist nicht der Augenblick, es herauszufinden…«
Calutt erwachte keuchend, und die Aufmerksamkeit aller wandte sich ihm zu. Er schüttelte den Kopf, aber der Opisrausch ließ sich nicht so einfach abschütteln. Er war wohl aus seiner Entrückung erwacht, doch die Benommenheit würde noch eine Weile anhalten.
Aber er war klar genug, daß er reden konnte, wenn auch mit unsicherer Zunge.
»Es gibt… keine Toten… hier…«
»Keine Toten?« entfuhr es Nottr.
»Keine… in weitem Umkreis… keine, die mir Antwort gaben…«
»Und was bedeutet das?« fragte Lella.
Calutt schüttelte langsam den Kopf. »Das weiß… ich nicht.«
Die Tür öffnete sich. Zwei Dämonisierte traten ein und stellten eine Steinplatte auf den Boden, auf der große Stücke gesottenen Fleisches lagen, neben einem Steintopf mit dampfender Brühe und einem Steinkrug.
Ohne ein Wort verließen die beiden den Raum wieder. Als sich die Tür geschlossen hatte, sagte Urgat: »O’Braenn hat Wachen vor unserer Tür postiert. Wenigstens zwei. Ich hab’ sie gesehen.«
»Er ist ein umsichtiger
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