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Im Schatten der Tosca

Im Schatten der Tosca

Titel: Im Schatten der Tosca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Kaiser
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alleine.«
    Carlos war mit seiner Aktion hochzufrieden, Elia hingegen knotete sich vor Unbehagen der Magen zusammen. Bisher hatte Margita eher ungezielt nach einer jungen Kollegin gebissen, von jetzt an würden ihre Pfeile Elia persönlich gelten. Spinnefeind, wie angenehm.
    »Ich will in Ruhe meine Arbeit machen können und nicht intrigieren, verdammt«, fing Elia an zu jammern.
    »Du hast doch mich als Beschützer«, warf sich Carlos in die Brust.
    Elia konnte nur noch ächzen: »Ja, das macht die Sache vollends schlimm. Du hast sie gekränkt, und mir wird sie es übel nehmen.«
    Diese Frau konnte ihr nichts anhaben, das wusste auch Elia – wenn man davon absah, dass Elias Überempfindlichkeit schon auf Gedanken reagierte. Das konnte ja gemütlich werden, wenn nun eine Person mit ihr auf der Bühne stand, die nichts als Missgunst ausstrahlte. Wie sollte sie das abwehren – und zugleich offen bleiben?
    Carlos gab ihr einen guten Rat: »Sei einfach Elisabeth, an der prallen Ebolis Intrigen ab.«

    Vielleicht hatten die Grabenkämpfe die Gesangstruppe richtig aufgemischt, denn es kam eine fabelhaft lebendige Produktion zustande. Es waren ja auch lauter »erfahrene Leute« zugange, wie Margita so nett und kollegial festgestellt hatte, und sie irrte sich auch mit einer anderen Vermutung nicht: Elia »hatte es geschafft«. Und wie!
    Philipp, Posa, Eboli, der Großinquisitor, alle hatten sie bejubelte Auftritte, doch am meisten rührte das Publikum das Schicksal von Don Carlos und Elisabeth. Ein besonders ergreifender Moment war das Abschiedsduett der beiden, bei dem sich einmal mehr zeigte, dass Elia und Carlos Schmerz und Verzweiflung nicht nur im strahlenden Fortissimo zum Ausdruck zu bringen vermochten, sondern auch im zartesten Pianissimo. Alles war da, selbst in der Höhe, ein gleichmäßig flutendes Piano, das hinüberglitt in ein Diminuendo und aushauchte in einem Morendo. Ob da nicht die Liebe mithalf, wenn zwei Sänger zu solchem Gleichklang gelangten? Das Publikum jedenfalls klatschte sich die Hände wund aus schierem Entzücken.
    Am glücklichsten über das fabelhafte Gelingen war wohl Mariana. Sie hatte ihr Leben lang nichts von Liebschaften unter Kollegen gehalten, und dann hatte ihr Elia vor der Weiterfahrt nach Bologna vorgejammert, nun doch Angst vor der großen Vertrautheit mit Carlos zu haben. Kein Wunder, dass ihr jetzt ein Stein vom Herzen fiel und ihre letzten Bedenken gegen diese Liebe schwanden.
    Zu Anfang hatte Mariana an Carlos Ribeira vor allem der Musiker und Sänger interessiert, nun, da sie ihn im Laufe der Zeit näher kennenlernte, konnte sie Elia immer besser verstehen. Carlos war wirklich ein gelungenes Exemplar von einem Mann, nicht nur attraktiv, charmant und gutaussehend, sondern auch witzig, herzlich, höflich und meist gutgelaunt. Seine Wahnsinnsenergie entging Mariana ebenfalls nicht, sie fühlte sich an sich selbst erinnert, sie verfügte auch immer noch über Kraftreserven, wo anderen längst die Puste ausging.
    Von Elias Familie war diesmal Robertino zur Premiere gekommen, allein, ohne Anna, die bei dem zahnenden Baby hatte bleiben müssen. Als Einziger hatte er Elia noch nicht auf der Bühne erlebt, und nun strahlte er vor Stolz über die kleine Schwester. Von ihrer Affäre mit Carlos wusste er nichts. Bei der Premierenfeier lernten sich die beiden Männer kennen und fanden sich sehr sympathisch. Zum Abschied umarmten sie sich, und Robertino klopfte Carlos auf die Schulter: »Sie und Elia, ihr passt wunderbar zueinander. Wenn man euch auf der Bühne zusammen sieht und hört, das ist herzergreifend.« Elia wurde feuerrot, sie schämte sich wegen ihrer Heimlichtuerei dem geliebten Bruder gegenüber. Aber wenn sie ehrlich war, hatte sie immer noch Angst vor seiner Reaktion, so ein »ungeordnetes Verhältnis«, das konnte ihm kaum gefallen. Und jetzt war nicht der Moment für Geständnisse. Später, vielleicht auf der Rückfahrt nach Rom – oder so. Doch Carlos versprach, die Angelegenheit selbst ins Reine zu bringen: »Lass nur, das ist Männersache, schließlich bin ich schuld an dem Problem.«
    Carlos hatte nicht nur so dahergeredet, denn als Robertino zu einer späteren Aufführung mit Anna wiederkam, bat ihn Carlos mannhaft zu einem Gespräch unter vier Augen. Erst eine halbe Stunde vor Vorstellungsbeginn klopften die beiden Männer an die Tür von Elias Garderobe, sie hatte sich derweil die schrecklichsten Familienszenen ausgemalt. Als Robertino ihre aufgelöste Miene sah,

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