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Im Schatten der Tosca

Im Schatten der Tosca

Titel: Im Schatten der Tosca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Kaiser
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da kenne sich einer aus. Ein verwöhntes Weibsbild ist sie. Sie hockt auf ihrem Geld und denkt, sie kann sich alles kaufen. Ich bin ihrschnurzegal, aber dass ich eine andere habe, das gönnt sie mir nicht. Diesmal kann sie sich aber auf den Kopf stellen – das hat sie auch eingesehen. Komm, vergiss das Ganze. Ich hab die Sache wieder hingebügelt. Ich bin wieder da. Und ich liebe dich!« Dabei wirbelte er Mariana wie ein Kind im Kreis herum. Sie wollte weiterreden, für sie war die Sache noch nicht in Ordnung, »hingebügelt« oder nicht. Aber Andreas küsste sie so lange, bis sie endlich Ruhe gab.
    Dennoch: Ihren Schmelz hatte die lustige Liebelei eingebüßt. Die Leichtigkeit hatte einen Knacks bekommen. Aus dem ganzen Gefasel hatte Mariana so viel verstanden: Zwischen Andreas und seiner Frau bestand noch eine Beziehung. Sie redete sich gut zu: »Du hast doch gewusst, dass er verheiratet ist. Jetzt sei nicht spießiger als dieses spießige Eheweib.«
    Aber darum ging es nicht. Viel schlimmer war: Andreas hatte sie angelogen. Warum, warum nur – sie hatte nichts von ihm verlangt. Mariana fühlte sich hintergangen. Zu beschönigen gab es nichts: Ihr strahlender Geliebter hatte sich wie ein schäbiger Angsthase benommen. »Weiber sind halt so«, hatte Andreas gesagt. Männer offenbar auch. Solange sie in diesen Schwachkopf verliebt war, musste sie sich wohl damit abfinden. Mariana wollte aber nicht länger darüber nachdenken. Das Singen half ihr dabei. Die Liebe ist schön, dachte Mariana. Aber noch tausendmal schöner das Singen!
    Zum Glück hatten die Proben zum ›Rosenkavalier‹ begonnen. Es war eine sehr aufwendige Produktion, mit einer Riesenbesetzung, Chor, Ballett, Statisten, auch Tieren, Hunden, Katzen, Papageien, sogar einem Pferd, was immer das zu tun haben mochte. Dazu ein fabelhaftes Solistenensemble. Und sie, Mariana, mittendrin.
    Jeden Morgen schwebte sie vergnügt die vielen Stufen von ihrem Haus den Hügel zur Oper hinunter. Wenn sie dann auf der Bühne stand, vergaß sie alles andere um sich herum. Der Regisseur war der gleiche wie schon bei ›Martha‹. Auch jetzt probte er mit den Sängern jeden Blick, jede Geste, bei demklugen, eleganten Text achtete er auf jede Nuance. Mariana war hingerissen.
    Ganz zu Anfang hatte sie sich befangen gefühlt: Die Sängerin der Marschallin, eine schöne blonde Frau, war berühmt in dieser Rolle, aber Mariana hatte noch nie mit ihr zusammen gespielt. Jetzt hatten sie als Erstes gleich eine Bettszene, Mariana genierte sich, wo sollte sie hinfassen an diesem üppigen Frauenkörper? Bertram, der Regisseur, ließ nicht locker: »Los, los, du bist ein junger, verliebter Bursche, ihr habt eine Liebesnacht hinter euch, keine Bibelstunde.« Nach ein paar Tagen knisterte es wirklich zwischen den beiden Frauen, jetzt waren sie voll eingestiegen in das Spiel.
    Nach der ersten Probenwoche lag Mariana eines Abends bereits sehr zufrieden im Bett, als Andreas klingelte. Unter dem Arm hielt er ein in Packpapier eingewickeltes Bild, Mariana bemerkte es zunächst gar nicht – so verdrossen blickte er drein. Die Tür war kaum geschlossen, da jammerte er schon: »Wenn ich nicht zurückkomme, reicht sie die Scheidung ein.« – »Ja und, sei doch froh, dann hast du endlich klare Verhältnisse. Reine Formsache, eure Ehe, ich hab’s noch im Ohr«, rief Mariana wütend aus. »Sie ist schwanger!« Andreas starrte Mariana vorwurfsvoll an; wieder streckte er ihr das Bild hin, sie nahm es, ohne es überhaupt zu merken: »Von wem? Von dir?« – »Von wem sonst. Ich bin ihr Mann!«, gab er weinerlich zur Antwort. Mariana klappte den Mund auf, aber sie brachte keinen Ton heraus. Sie stand da wie festgefroren, eine ganze Weile. Ihre Augen fielen auf das Paket, was hielt sie da in ihren Händen? Mit zusammengepressten Lippen sog sie ganz tief Luft ein und schleuderte mit einer gewaltigen Geste, als sei es eine Bombe, die jede Sekunde explodieren könnte, das Bild auf den gebohnerten Boden, wo es bis zur Wand schlitterte und heftig dagegenprallte. »Verschwinde, hau ab, raus mit dir, du Jammerlappen«, tobte sie. Ihre wohlgeschulte Stimme überschlug sich. Sie wollte Andreas zur Tür hinausschieben. Weil er sich nicht rührte, trommelte sie mitden Fäusten gegen seine Brust, trat nach ihm. Dann brach sie schluchzend zusammen. Sie hielten sich beide umklammert, es war ein schreckliches Geschniefe.
    Nach einer langen Zeit suchten sie beide nach einem Taschentuch. Sie saßen auf dem Fußboden.

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