Im Schatten der Tosca
haben wir gleich, ich hole mal Didi, unseren Meisterkoch«, meinte ein Bildhauer.
Nach einer Weile kam er zurück, hinter sich einen dunkelhaarigen, hochgewachsenen Mann. Mariana hatte ihn noch nie gesehen. Er gefiel ihr auf den ersten Blick.
»Oh, was für eine Ehre«, sagte der Herr erfreut und küsste Mariana die Hand. Mariana zuckte zusammen. Sie hatte wohl wirklich zu viel getrunken. »Haben Sie die ganzen Sachen in Ihrer Küche oben?«, fragte der Unbekannte, nachdem ihm Mariana das Spätzleproblem dargelegt hatte. »Dann gehen wir doch zu Ihnen hinauf. Und wenn das Wasser wallet, siedet, brauset, bekommen Sie Ihre Spätzle.«
Die Gruppe um Mariana setzte sich in Bewegung.
»Wo geht ihr hin?«, riefen andere, schnappten sich noch schnell etwas zu trinken und schlossen sich dem Zug an.
Droben in der Küche machte sich der Fachmann flink ans Werk, Mariana schaute ihm bewundernd zu, was für hübsche Hände er hatte, was für geschickte, geschmeidige Bewegungen. Munter plaudernd schlug er den Teig; kurz bevor das Wasser zu sieden begann, griff er nach seinem Glas, erhob es und blickte Mariana in die Augen.
»Ich führe mich hier auf, als sei ich zu Hause. Dabei hab ich mich noch nicht einmal vorgestellt: Andreas Schlemmer. Maler und Gelegenheitskoch. Auf ein gutes Gelingen.«
Darauf tat er den Teig in den Hobel, die Umstehenden klatschten, Mariana errötete. Was hatte dieser Andreas oder auch Didi mit seinem »Auf ein gutes Gelingen« gemeint? Die Spätzle? Ihre Bekanntschaft? Die Spätzle waren im Nu verzehrt, so gut schmeckten sie. Auch die Bekanntschaft gedieh vorzüglich, oder vielmehr: Sie ging rasch über in eine Freundschaft, und dann, noch rascher, in eine Liebschaft.
»Für die Liebe habe ich gar keine Zeit. Und überhaupt: Mirreicht die Leidenschaft auf der Bühne, da kann ich mich austoben«, so hatte Mariana immer behauptet. Sie flirtete gern, auch gegen Küsse hatte sie nichts einzuwenden. Aber nach mehr stand ihr absolut nicht der Sinn. Zumal das in ihrer Vorstellung fast automatisch zum Heiraten führte. Und das wiederum, so fand Mariana, ließ sich mit den Berufswünschen der Frauen so gut wie nicht vereinbaren. Sie musste nur an ihre Mutter denken. Die wäre eine gute Sängerin geworden, ihre Stimme war heute noch voll und schön.
Ach was, Singen und Heiraten, das ging in den wenigsten Fällen zusammen. Vielleicht später einmal, wenn Mariana eine weltberühmte Diva war, dann konnte sie sich einen Ehemann leisten, der fabelhafte Verträge für sie aushandelte. Doch das waren eher flotte Sprüche, keine ernsthaften Überlegungen. Das ganze Getue der anderen Mädchen um einen Bräutigam, einen Ehemann hatte Mariana nie verstanden. Sie wollte Sängerin werden. Sängerin sein. Dafür hatte sie gearbeitet, voller Kraft und Begeisterung. Für aufwendige Männergeschichten blieb da kein Platz. Und noch etwas kam hinzu: Kein Mann hatte sie bisher besonders beeindruckt.
Jetzt plötzlich, zum ersten Mal in ihrem Leben, war Mariana richtig verliebt. Den tapsigen Liebkosungen ihrer bisherigen Verehrer hatte sie mühelos widerstanden. Bei dem viel älteren Andreas schmolz sie im Handumdrehen dahin. Möglicherweise war es ein Geständnis, das ihre Zurückhaltung vollends verfliegen ließ. Andere Frauen hätte es wahrscheinlich abgeschreckt, Mariana beruhigte es eher, nahm ihr die Sorge, auch dieser Mann wolle sie auf der Stelle zum Traualtar schleppen.
Während er sie küsste, hatte Andreas plötzlich gesagt: »Mariana, ich möchte, dass nichts zwischen uns steht. Du sollst alles von mir wissen: Ich bin verheiratet. Aber meine Frau und ich leben seit Jahren getrennt. Unsere Ehe besteht nur noch auf dem Papier, reine Formsache. Meine Frau ist ein liebes, armes Geschöpf, sie hat es nicht leicht. Bitte verlange nichtnähere Einzelheiten von mir, aber siehst du, in dem spießigen Kaff, in dem sie lebt, hätte sie als geschiedene Frau einen schweren Stand. Warum ihr unnötig wehtun, sie tut mir leid. Bist du jetzt böse auf mich?«
Ach nein, wahrhaftig nicht. Mariana fand Andreas einfach wunderbar. Sie war hingerissen von seinem Charme, seinem Sex-Appeal. Und lustig konnte er sein, richtig kindisch-verspielt. Wo gab es denn das bei einem Mann? Auch sein weiches Stuttgarter Schwäbisch liebte sie, die bildhaften, drolligen Wörter und Wendungen. Von einer kränkelnden Bekannten sagte er: »Die sieht aus wie’s Kätzle am Bauch.« Mariana nannte er »Moggele«. Wenn das nicht zärtlicher klang als
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