Im Schatten der Tosca
es dir. Aber irgendwie stimmt es noch nicht, ich geh noch mal drüber.« Eigentlich fand Mariana das schade, sie mochte das Bild, so wie es war. Ein einziges Mal hatte sie Andreas beim Malen zugesehen. Da hatte er auch nur noch ein paar Akzente setzen wollen, und am Ende war das Bild regelrecht kaputtgemalt. »Ich hätte heute keinen Pinsel anrühren dürfen«, hatte er damals gejammert. Darum schaute Mariana jedes Mal nach ihrem Bild, wenn sie ins Atelier kam. Noch hatte sich nichts geändert. »Was willst du hier in der Stadt? Soll ich mich vor den Anlagensee stellen und dort die Wellen studieren?«
Im Übrigen hatte er es gar nicht so gerne, wenn ihn Marianaim Atelier besuchte. »Hier zieht es, du wirst dich erkälten, womöglich schaden die giftigen Ausdünstungen der Farben deiner Stimme. Und überhaupt, es ist zu unordentlich hier«, so hieß es. »Na hör mal«, wunderte sich Mariana, »ich bin doch nicht deine Schwiegermutter.« – »Ha, ha, sehr komisch«, knurrte Andreas.
Viel gemütlicher fand er es in Marianas Wohnung. Dort fühlte er sich inzwischen wie zu Hause – aber das hatte er ja schon am ersten Abend getan. Nur einen Schlüssel hatte er nicht. Mariana war einfach nicht auf die Idee gekommen, ihm einen zu geben. Eigentlich sonderbar, wie sie später fand. Einen Pfiff hatten sie ausgemacht und das entsprechende Klingelzeichen: »Auf in den Kampf.«
Mariana war es sehr recht, wenn Andreas zu ihr nach Hause kam. So viele freie Abende hatte sie ja nicht. Wenn sie nach einem Probentag heimkam, war sie abends oft müde und mochte nicht noch einmal ausgehen. Zufrieden saß sie dann erst einmal auf ihrem Stuhl in der Küche. Wie sehr genoss sie es, jetzt liebevoll umsorgt zu werden. Staunend sah sie zu, wie Andreas lässig am Herd hantierte. Wenn sie sich nur ein Schnitzel briet, war sie nachher mit Flecken übersät, so groß konnte keine Schürze sein, dass nicht auch das Kleid etwas abgekriegt hätte. Andreas hingegen blieb makellos rein, selbst bei Suppen und Soßen.
Eine häusliche Idylle. Dann, nach dem Essen, wandelte sich der geschickte Koch zu einem stürmisch-raffinierten Gesellen, so dass Marianas Lebensgeister wieder erwachten. Der Abend endete nicht in der Küche.
Eines Abends war alles anders als sonst. Schon das Klingelzeichen klang irgendwie schrill, dann ließ Andreas die Zwiebeln anbrennen, schnitt sich in den Finger, schüttete sich Soße übers Hemd und versalzte auch noch das Essen. »Ungenießbar«, stellte er gereizt fest. »Du machst mir Konkurrenz«, versuchte ihn Mariana aufzuheitern. Sie war wirklich verwundert.Auch Andreas konnte muffig sein, selbst er war nicht immer zu Späßen aufgelegt, aber so richtig schlechte Laune hatte sie bei ihm noch nie erlebt. Heute schien er das nachholen zu wollen. »Ich brauch mehr Wein«, blaffte er nach der ersten geleerten Flasche, und als ihm auch noch der Korken abbrach, fluchte er in einem gar nicht mehr lieblichen Schwäbisch: »Herrgottsack, Mistvieh, verrecktes.«
Schließlich kam es aus ihm heraus: »Die blöde Kuh! Ich muss hin zu ihr. Die Gnädige wünscht mich zu sprechen. Eine Krise, ein Anfall, irgendwo brennt es lichterloh!«
Von wem sprach er? Von seiner Frau? »Ist sie krank?«, fragte Mariana, was sonst sollte passiert sein. »Ja, krank«, maulte er. »Was soll ich tun? Man ist ja kein Unmensch. Wenn sie mich braucht, kann ich sie nicht hängen lassen, oder?« – »Nein, natürlich nicht«, fand auch Mariana, eigentlich war es anständig von ihm, dass er nach seiner kranken Frau schaute. »Heidebimbam, des hätt’s wirklich net braucht«, lallte Andreas mit schwerer Zunge.
Nach ein paar Tagen kam er gutgelaunt von der Reise zurück. »Gott sei Dank, sie hat sich wieder beruhigt.« – »Was heißt beruhigt, ich denke, sie ist krank«, sagte Mariana irritiert. »Ach Engele, du bist eine starke, vernünftige Frau. Was soll ich dich anlügen? Die ist pumperlgesund. Aber sie hat Wind gekriegt von dir, von uns, und da hat sie sich ziemlich aufgeführt. Aber jetzt ist alles wieder gut. Mach dir keine Sorgen«, redete er schwungvoll auf Mariana ein. »Ich mach mir keine Sorgen, ich doch nicht«, regte sich Mariana auf. »Aber ich versteh nicht ganz: Jeder von euch führt sein eigenes Leben, hast du doch immer betont. Und jetzt schnaubt sie vor Eifersucht und macht Szenen. Wie passt das zusammen? Bitte erklär’s mir.«
Andreas hatte inzwischen seinen Arm um sie gelegt und sich an ihren Haaren zu schaffen gemacht. »Ach,
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