Im Schatten der Tosca
einwickeln.
»Duzt ihr euch nicht? Ihr kennt euch doch schon eine Ewigkeit«, fragte Elia später verwundert.
Mariana lachte nur: »Gott bewahre, er war schon immer ein schrecklich feiner Pinkel.«
Also doch kein missglücktes Techtelmechtel, wie sie und Carlos bisher angenommen hatten. Doch aus irgendeinem Grund scheute sie sich, Mariana ausführlicher nach Jens Arne auszufragen.
So verschiedenartig die folgenden Stationen auch sein mochten, eins hatten sie gemeinsam: Überall schwelgte Elia in besonders köstlichem italienischen Essen! Das fing an in New York, beim ›Rigoletto‹ unter Georges Goldberg. Bisher war für Elia immer Carlos Gildas unwiderstehlicher Verführer gewesen, eine Rolle, die ihm wahrlich auf den Leib geschrieben schien. Jetzt sang Tino Maderna den Duca, ein barocker Genussmensch mit munteren, freundlichen Äuglein, sinnlich geschwungenen Lippen, einem Doppelkinn und beachtlicher Leibesfülle. Und einer betörend honigsüßen Stimme, mit der er nicht nur seine Bühnenopfer zum Schmelzen zu bringen wusste, sondern auch die Herzen seines Publikums. Er und Carlos bildeten im Moment sicherlich das strahlendste Tenorzweigestirn am Opernhimmel, und Elia hatte auch mit Tino Maderna im Laufe der letzten Jahre schon öfter auf der Bühne gestanden und war immer gut mit ihm ausgekommen.
Diesmal erlebte sie ihn auch privat aus größerer Nähe, denn sie wohnten im gleichen Appartementhotel. Sie in einer hübschen Suite, er, zusammen mit seiner Frau und zwei kleinen Töchtern, in einer Riesenwohnung, deren Herzstück eine fabelhaft eingerichtete Küche bildete. Dort, wann immer möglich, schaltete und waltete Tino Maderna höchstpersönlich und kreierte mit viel Phantasie, großem Können und seinen geschickten, weichen Händen die köstlichsten Speisen, in ausgeklügelter Abfolge und in solchen Mengen, dass Elia als Nachbarin und esskundige Landsmännin zu ihrer Vertilgung herangezogen wurde.
Noch ein anderer Landsmann eilte beglückt zu Tinos Töpfen, Enrico Tarlazzi, Elias geliebter Freund und diesmal als Rigoletto ihr Bühnenvater. Auch aus dem Team wurden ein paar erprobte Gourmets dazu geladen, darunter Joshi Kramer, der Regisseur, ein schlitzohriger Österreicher, der in einem vernuschelten Englisch so hinreißend Witze erzählte, dass sich die Zuhörer vor Lachen verschluckten. Eine lustige Runde, sogar Elia, die sich sonst gerne zeitig in ihr Bett verzog, versacktemehr als einmal bis spät nach Mitternacht. Die Vorstellung, es bis zu ihrer eigenen Bettstatt nur ein paar Meter weit zu haben, war nicht ganz unschuldig daran.
Auch Georges Goldberg schaute regelmäßig vorbei, allerdings hielt er sich hauptsächlich an die eigens für ihn bereitgestellte Whiskyflasche, die er bis auf den Grund zu leeren pflegte, um dann, hustend und verdrossen, noch ein paar Gläschen Rotwein in sich hineinzuschütten. Was ihn keineswegs daran hinderte, am nächsten Tag seine vom Essen noch trägen Sänger musikalisch auf Trab zu bringen, so dass letzten Endes wieder eine furiose, mitreißende Arbeit zustande kam.
In Pesaro, Elias nächster Station mit der Rosina im ›Barbier von Sevilla‹, konnte sie gleich weiterschwelgen in Lieblingsgerichten. Und bei einer Stippvisite in Rom, die sie vor allem machte, um nach Martina zu schauen, bevor sie in ihr Häuschen im Süden fuhr, wurde sie von Umberto fabelhaft bekocht.
Der Besuch bei Martina und Massimo berührte Elia sehr. Nach der überstürzten Heirat hatte niemand mehr Zeit gehabt, die Wohnungen in der Via Giulia zu renovieren oder gar umzuziehen, und so lebten die beiden in der verstaubten, mehr oder weniger unveränderten alten Pracht, wie sie die Großeltern hinterlassen hatten. Nur der von Martina so mühsam aufgestöberte Jugendstilschreibtisch stand etwas fremdartig in dem mit antiken Möbeln, Gobelins, Bildern, Pfauenfedern und Büsten vollgestellten Salon herum.
Martina empfing Elia in einem gewaltigen, von einem roten Samtbaldachin prunkvoll überdachten Bett. Zierlich und blass saß sie in einem schneeweißen Kissengebirge. Als sie Elias beklommene Miene sah, lachte sie: »Keine Angst, meistens bin ich tagsüber auf, aber gerade heute war ich ein wenig wackelig auf den Beinen. Komm, setzt dich zu mir aufs Bett, Oder weißt du was, zieh die Schuhe aus und schlüpf neben mich unter die Decke.«
Und so saßen sie nebeneinander wie zwei kleine Mädchen,die es sich im Bett der Eltern gemütlich gemacht haben, wenn die ausgegangen waren, und
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