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Im Schatten der Tosca

Im Schatten der Tosca

Titel: Im Schatten der Tosca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Kaiser
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verblichenen Sommersachen aus dem Schrank und streifte mit Fiamma durch die Gegend, auch barfuß, das liebte sie am meisten. Jeden Tag fuhr sie ans Meer hinunter zum Baden und schwamm weit hinaus wie in alten Zeiten. An den Abenden wurde endlos getafelt, bei Großmutter Alina, im Dorf oder in Salerno, die Onkel und Tanten, die Freunde, die Nichten und Neffen, alle wollten Elia wiedersehen. Es war ein lustiges Durcheinander, von Oper hatten die meisten herzlich wenig Ahnung, aber was eine erfolgreiche Sängerin war, das konnten sie sich vorstellen. Auch auf Jens Arne waren sie neugierig. Wie gut, dass Elia endlich geheiratet hatte, das schickte sich einfach für eine Frau, irgendwann gehörten auch Kinder dazu, selbstverständlich, aber vor allem sollte Elia das nächste Mal ihren Mann mitbringen.
    Elia versprach es. Aber würde sich Jens Arne hier wohlfühlen, unter diesen munteren, lieben Menschen? Die nicht wussten, welch einen Halbgott sie da vor sich hatten? Die ihm zuprosteten, auf die Schulter klopften, ihn duzten? Elia sah förmlich vor sich, wie es Jens Arne vor Unbehagen fröstelte. Plötzlich erschien ihr sogar fraglich, was er von der »Villa Capretta« halten würde, ihrem so gemütlichen Häuschen mit Tante Ambrosias Zaubergärtchen. Würde ihm das ausreichen?
    Jens Arne war schrecklich verwöhnt und anspruchsvoll, alles hatte zu funktionieren, perfekt zu sein, nicht nur in der Musik, sondern auch bei ganz unwichtigen Alltagsgeschichten. Da geriet der Perfektionismus zur Pingeligkeit. Was würde er dazu sagen, wenn das Wasser aus seiner Dusche nur spärlich tröpfelte oder der Strom beim ersten Donnerschlag für Stunden ausfiel und die Katze womöglich in seinem Bett ihreJungen warf? Jens Arne behauptete zwar, er liebe das Landleben, aber da dachte er doch wohl eher an sein komfortables, schlossartiges Landgut. Nein, wenn Elia ehrlich war: Jens Arne passte nicht hierher.
    Im Grunde musste sie froh sein, wenn Jens Arne nichts dagegen hatte, dass sie hin und wieder alleine hierher fuhr, denn eigentlich, das hatte sie inzwischen gemerkt, fand er, sie solle sich als Ehefrau seinen Wünschen anpassen. »Ach, das wird noch manchen Ärger geben! Aber ich muss allein schon deinetwegen herkommen, was, Alterchen, du kannst mich in England ja nicht besuchen, wegen dieser blöden Quarantäne«, sagte Elia zu Fiamma, die neben ihr in der Sonne lag.
    Viel zu schnell waren die Ferien vorbei, und Elia machte sich auf nach Wien.

    Ursprünglich hatte Elia in Wien, bevor sie zu einem Gastspiel nach Spanien weiterfuhr, nur kurz Jens Arne besuchen wollen, der dort mit den Wiener Philharmonikern alle Schubert-Sinfonien aufnahm. Dann aber hatte sie Fulvio, ihr uralter Freund und Weggefährte aus den ersten Stockholmer Tagen, den sie an allen möglichen Opernhäusern der Welt immer wieder traf und der inzwischen Oberspielleiter in Wien war, zu einem reichlich ungewöhnlichen Unternehmen beschwatzt: für ein paar Vorstellungen in ihre alte Wiener Rolle zu schlüpfen, die Susanna. Elias Bedenken hatte er beiseitegewischt: »Bei uns in Wien gehen die Uhren langsamer, alles ist noch beim Alten, auch der gute alte ›Figaro‹, die Inszenierung, die allermeisten Sänger. Thomas Schneider dirigiert, du wirst deinen Spaß haben nach all den mühsamen Damen, auf die du seither abonniert bist.«
    Er sollte recht behalten. Welch eine Lust, endlich einmal nicht verzweifeln zu müssen, nicht wahnsinnig zu werden und auch nicht zu sterben! Die muntere, kluge, energische Susanna dachte gar nicht daran! Drei Vorstellungen waren geplant, schon nach dem ersten Abend bedauerte Elia, dass sieseinerzeit auf dieser geringen Anzahl bestanden hatte. Wie gerne hätte sie jetzt mit den anderen in einem Beisl zusammengehockt! Aber das ging leider nicht, denn Jens Arne wartete im »Sacher« auf sie. Es hatte auch keinen Sinn, wenigstens Fulvio und Thomas Schneider dorthin mitzunehmen, denn er hatte den ganzen Tag im Aufnahmestudio zugebracht und wollte bestimmt keine fremden Menschen sehen.
    Zu Elias Verwunderung war Jens Arne nicht allein. Ein junges Mädchen saß an seinem Tisch. Die beiden schienen sich nicht viel zu sagen zu haben, sie wirkte verlegen, und er machte ein mürrisches Gesicht, wie Elia von Weitem sehen konnte. Bei ihrem Anblick sprang Jens Arne erleichtert auf: »Ah, Gott sei Dank, endlich kommst du!« Erst als Elia fragend auf das junge Mädchen schaute, stellte er sie vor: »Das ist Sisi. Meine Tochter.« Ohne dass er es aussprach,

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