Im Schatten der Tosca
sollte Monate dauern, bis Elia endlich Massimo und Mariana besuchen konnte. Gleich nach New York hatte sie unter Jens Arne die Lucia di Lammermoor gesungen, erst in London und dann in Paris, aber nun winkten Ferien, und die wollte sie unbedingt für die Reise nach Italien nutzen, etwas Wichtigeres gab es jetzt nicht für sie. Über diesem Plan gerieten Elia und Jens Arne heftig aneinander, denn er hatte, ohne sie zu fragen, für diese Zeit bereits eine Einladung auf ein Schloss in Schottland zur Entenjagd angenommen. Er fand es ganz unmöglich, dass Elia nicht mitkommen wollte. Erst als sie steif und fest behauptete, ohne Signor Rutelis Hilfe die Medea, die sie gerade studierte, nicht in den Griff zu bekommen, musste er nachgeben, die ›Medea‹ war nach der ›Norma‹ sein Lieblingsprojekt,und es lag ihm alles daran, Elia dafür bei Laune zu halten. Aber innerlich wurmte es ihn mächtig, dass Elia derartig stur ihren Kopf durchsetzte, nachdem sie ihm bis jetzt nahezu in allen Dingen willig gefolgt war.
Gerade noch hatten sie sich in Paris so gut verstanden: Er hatte sie groß ausgeführt in die feinsten Lokale, Tour d’Argent, La Perrouse, Grand Vefour, und Elia hatte, in Begleitung einer modebewussten Freundin von ihm, der Marquise Agatha de Monteton, ihre seinem Geschmack nach etwas beliebige Garderobe durch einige klassisch-elegante Kleidungsstücke von Chanel und Dior ergänzt. Sogar ihre ungebärdigen Haare hatte sie sich von Meister Alexandre in eine etwas damenhaftere Fasson bändigen lassen! Allerdings erst nach einigem Sträuben und Jammern. Zum Trost hatte sie dafür eine Krokohandtasche von Hermès bekommen, kein kleinliches Geschenk für so viel Bockigkeit.
Massimo wirkte ernst, aber überraschend ruhig und gefestigt, wie Elia erleichtert erkannte. »Natürlich bin ich jeden Tag aufs Neue fassungslos, dass Martina nicht mehr da ist, für immer. Aber weißt du, ich hab durch sie ganz viel Liebe erfahren, und die umgibt mich auch jetzt noch und beschützt mich. Ich glaube wirklich, Martina schaut von irgendwoher nach mir, es freut sie, wenn ich an sie denke, aber sie will, dass ich weiterlebe, ohne mit dem Schicksal sinnlos und verbittert zu hadern«, erklärte er selbst.
Elia begriff genau, was er meinte, so ähnlich hatte sie es nach dem Tod ihres Vaters bei sich selbst erlebt. Und sicher bedeutete es für Massimo eine große Hilfe, so schmerzlich sie auch erkauft war, dass er und Martina sich über eine lange Spanne Zeit an diesen Tod und an den Abschied hatten herantasten können. Massimo ruht ganz in sich. Der braucht mich nicht, um auf ihn aufzupassen, so ging es ihr durch den Kopf.
Massimo schaute Elia nachdenklich an, schließlich sagte er: »Du hast dich verändert, ich weiß nicht recht, du bist gesetzter geworden.«
Elia hob unwillig die Schultern: »Ach was, mir ist nur im Moment nicht gerade nach Lachen zumute.«
»Das ist doch nicht schlimm«, meinte Massimo herzlich, »du hast enorm viel geleistet in den letzten Jahren, du bist jetzt berühmt, ein richtiger Star, warum soll man dir das nicht ansehen?«
Doch Elia wollte davon nichts wissen: »Ach, ich weiß nicht, ich fühle mich nicht anders als früher.«
»Jetzt hab ich’s, es sind deine Haare«, rief Massimo, »vorher hast du wilde schwarze Haare gehabt, jetzt hast du eine Frisur!«
Elia wurde rot: »Oh Gott, ich sehe schrecklich aus, nicht wahr! Wie ein getrimmter Pudel, oder?«
Sie gingen zusammen hinauf in die obere Wohnung, und dort fielen sich Elia und Mariana in die Arme. Elia musste ausführlich erzählen, auch wenn man hier im Haus bestens Bescheid wusste, denn Mariana hatte alles, was sie an Kritiken und sonstigen Artikeln auftreiben konnte, gesammelt und stolz herumgereicht.
»Elia mag es nicht hören, wenn man ihr sagt, dass sie ein Star sei«, erklärte Massimo.
Mariana wiegte bedächtig den Kopf: »Ja, das ist auch nicht ganz einfach zu verdauen, und irgendwann gewöhnt man sich daran.« Sie lächelte Elia an: »Aber noch was ist aus meiner kleinen Elia geworden: eine Dame! Kind, du hast dich ganz schön gemausert.«
»Jetzt fängst du auch noch davon an! Das macht diese blöde Frisur, ich hab gehofft, dass es nicht so auffällt«, rief Elia fast verzweifelt. Sie lehnte sich in ihrem Sessel zurück und seufzte: »Ach, wie ich euch vermisst habe!« Eine Weile blieb es still, alle hingen ihren Gedanken nach. Elia schloss die Augen, einen Augenblick war ihr, als streiche ein Hauch über ihr Gesicht, ganz zart
Weitere Kostenlose Bücher